Die Welt aus den Augen eines Kindes

Wir Erwachsenen sehen viele Probleme verzwickter als sie in Wirklichkeit sind. Das liegt vielleicht daran, daß wir im Laufe der Jahre viel vorsichtiger nach einer Lösung suchen. Im Hinterkopf kreisen alle erlernten Selbstbremsen wie "so geht es nicht", "Höflichkeit zeigen", "blos nicht blamieren" und so weiter. Lebenserfahrungen sind somit manchmal auch kontraproduktiv, sobald wir keinen Lösungsweg finden in einem zwischenmenschlichen Problem, beziehungsweise ein Problem, welches nicht nur uns selbst betrifft.


Für ein Kind sieht die Welt viel bunter aus. Egal wie schwer es ein Kind hat (es gibt nur ganz wenige Kinder auf unserem Planeten, denen eine unbeschwerte Kindheit gegeben ist), es hat noch nicht den Gedankengang eines Erwachsenen, sondern geht ganz spontan an etwas heran. Ein Kind schmollt auch nicht lange, wenn etwas schief ging, ein Mißgeschick passierte oder was auch immer. Es weint sich aus, mal laut mal leise, tobt sich die Wut einmal richtig aus, danach ist alles wieder gut. Nur wir Erwachsenen machen uns weiter innerlich fertig mit endlosem Gegrübel, obwohl die Lösung so einfach sein kann.


Bis vor 8 Jahren habe ich es mir auch schwerer gemacht, als es tatsächlich war, egal in welcher Situation. Das Kind in meinem Herzen war noch nicht erwacht, weil ich keinen Sinn darin sah. Ich war sehr Mißtrauisch gegenüber Fremden und meine Tränen zeigte ich nur meinem Hund. Ein guter Freund von mir wollte sich das nicht länger angucken und meinte, ich bräuchte einen Computer mit Internetanschluß. Nach einiger Skepsis bauten wir selbst erstmal einen provisorischen zusammen. Eine Flatrate bestellen geht ja heutzutage sehr schnell. Kaum war ich im Internet, kam der Rest ebenso schnell. Ich landete zufällig auf der Homepage eines Traummannes, mit dem ich heute glücklich verheiratet bin.


Mein neues Leben in Holland sorgte auch für eine "Grundsanierung" in meinem Kopf. Es began damit, daß Robin während unserer Kennenlernzeit in Berlin in ein Spielzeuggeschäft nach einem neuen Modelltruck gucken wollte. Ich blieb bei den Modelleisenbahnen stehen. Robin bemerkte das und fragte mich direkt, ob ich eine haben möchte. Meine Worte von "aus dem Alter bin ich lange raus" und "das geht doch nicht, habe keinen Platz" überhörte er absichtlich. Er zog ein Startset aus dem Regal und drückte es mir in die Hände mit seinen damals noch lustigem Deutschbeginn: "jetzt fangst du mal an damit". Dazu legte er noch einen Modellbausatz von eines meiner Lieblingsflugzeuge oben drauf und sagte "so ist dir nicht langweilig bis wir uns wiedersehen".


Als ich dann in Berlin alles aufgab und zu Robin nach Holland zog, gab ein Familienausflug ins Fernsehheldenmuseum den Rest. Da sah ich alle meine Fernsehfreunde aus der Kindheit wieder. Als ich einen Moment alleine stand, rollten mir plötzlich und unaufhaltsam richtig dicke Tränen an den Wangen herab. Es waren die Tränen meines inneren Kindes, welches ich immer wieder ignoriert hatte. Seitdem sehe ich die Welt wieder aus den Augen eines Kindes und stelle fest, so lebt es sich viel einfacher. Draussen bin ich Erwachsen, doch zuhause ist das Kind in mir draussen. Das ist es, was mich heute so fröhlich aussehen läßt und lieber von den lustigen Ereignissen meines Lebens berichten läßt.


Das Kind in uns macht nicht nur glücklich, es repariert auch unsere Seele...

Kommentare 2

  • Schön geschrieben, ich kann mir das richtig bildlich vorstellen, gefällt mir.

  • wieder sehr schön geschrieben angela. bewahr dir immer deine kindheit, das macht wirklich vieles leichter. ich sprech da aus eigener erfahrung. es geht nicht immer, aber zum glück sehr oft. nein, meine seele wird es wohl nicht reparieren können.
    alles gute für die zukunft wünscht dir das zicklein