Händelheim
Händelstraße 9
09120 Chemnitz (Karl Marx Stadt)
ZitatAlles anzeigenVilla Carl Hahn Händelstraße 9 Chemnitz
Diese Villa, schon rein optisch ein Blickfang und allein deswegen etwas außergewöhnliches, habe ich versucht, mal von einer anderen Seite her als üblich optisch darzustellen und dabei gleichzeitig von einer etwas anderen Seite her als üblich historisch zu beleuchten. Denn nicht nur der Bau selber, sondern darüber hinaus auch der Kontext der Namensgebung sind mehr als nur bemerkenswert. Hervorzuheben ist des weiteren eine höchst aufschlußreiche Informationstafel (beispielgebend und sehr zur Nachahmung empfohlen !!!) betreffs der umfangreichen Verdienste des für das Gebäude namensgebenden Mannes - Carl Hahn. Was die Tafel aber u.a. nicht verrät ist die Tatsache, daß das besagte Jahr 1934, in dem die Hahn`s hier - als Untermieter !! - einzogen, nicht gerade das rosigste in deren Familienchronik war. Doch um dies verstehen zu können, müssen wir in der historischen Zeitleiste noch ein ganzes Stück weiter zurück navigieren ... Der sächsische Automobilbau, einst stark boomend, kam in den Weltwirtschafts-krisenjahren ebenso wie viele andere Wirtschaftszweige stark in´s Schlingern - erfaßte auch die DKW (deutsche Dampfkraftwagenwerke) in Zschopau unter Führung des Dänen Jorgen Skafte Rasmussen - und seinem Verkaufsmanager - Carl Hahn. Die sächsische Staatsbank, die das Unternehmen bis dahin schon seit längerer Zeit gefördert, gehätschelt,
hochgepäppelt und immer wieder durchgefüttert hatte, besann sich nun auf ihre damit verbundenen Privilegien und so setzte man den Zschopauer DKW unter Rasmussen den Bankbeauftragten Richard Bruhn in´s Fell, der den Auftrag hatte, zur Rettung eine Fusion zwischen DKW, Audi, Horch und Wanderer zu organisieren, das Quartett der späteren Auto-Union. Fraglos keine Liebesheirat, sondern eher eine Vernunftehe, die Auto-Union, da war naturgemäß Zoff vorprogrammiert, auch davon auf der Tafel keine Rede. Rasmussen, der die genannten Eingriffe in "sein" Unternehmen nicht recht verkraften konnte (oder wollte) gab alle Schuld seinem Verkaufsleiter Carl Hahn, dieser - bescheidener und sachlicher, aber ebenso konsequent seine Meinung verteidigend, gab nicht klein bei. In genau dem genannten Jahr 1934 eskalierte die Auseinandersetzung und gipfelte in Kündigung und in genau dem genannten Jahr 1934 zogen die Hahn`s - als Untermieter !! (auch das aus der Tafel nicht ersichtlich) - in das Anwesen in der Händelstraße 9. Ganz kann und will man auf seine Person in der Firma aber nicht verzichten, er wird immer wieder konsiliarisch in verschieden Fragen kontaktiert und sogar sein Name prangt weiterhin auf den Briefköpfen der inzwischen in das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Presto-Werke verlegten Auto-Union (an der Scheffelstraße). Hahn erwies sich als menschlich geschickt genug, seiner Familie nicht mehr als nötig von seinen Sorgen und Kümmernissen anmerken zu lassen, jedenfalls schildert sein gleichnamiger Sohn Carl (Horst) Hahn (junior) seine Kindheit dort als glücklich und unbeschwert. Doch die Zeichen der Zeit holen die Familie bald wieder ein. Die umständlichen Versuche zu begründen, warum Bruhn und Hahn (nebst Familie) nach dem Krieg in den Westen (nach Ingolstadt) gingen, können nur zu einem Stirnrunzeln führen. Von "in Sicherheit bringen" und "Verfolgung entziehen" ist da die Rede, aber sagen wir, wie es war (es ist eh allgemein bekannt) - Bruhn war einer der ganz besonders rechten Hände Hitlers (er gehörte zu den Reichswehrwirtschaftsbeauftragten, eine rechte industrielle Fabrikanten "Elite", die besonders eng an Hitlers Seite mitsamt seiner Rüstung stand und - davon zu profitieren wußte.) Doch ich möchte ausdrücklich betonen, daß dies nur auf seinem Fachgebiet, dem Automobilbau war, er hat sich offenbar nicht irgendwelcher Nazi-Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Mit dieser Art Nazi-Vergangenheit wäre er auch in DDR-Zeiten nicht untergegangen und er wäre nicht der Erste gewesen, der es mit einer solchen (bekannten!!) Vorgeschichte bis in die höheren DDR-Regierungskreise gebracht hätte, technisches "Know how" war eben gefragt. Doch Bruhn war nicht nur schlau, berechnend und "wendig" genug, die Lage der Dinge nach dem Krieg haarscharf beurteilen zu können, er war auch ausreichend Realist, zu erkennen, daß die alliierten angloamerikanischen Bombardements vorwiegend der späteren sowjetrussischen Besatzungszone besonders zugesetzt hatten und so zog er es wohl vor, in das weit weniger durchlöcherte Boot zu springen, nicht ohne seinen unentbehrlichen intellektuellen Trumpf im Gepäck zu haben - Carl Hahn - mitsamt Familie. Die Siegessträhne, welche die in Ingolstadt wieder errichtete Auto-Union (später in den 60-er Jahren als besonderer Leckerbissen von VW übernommen) nach dem Krieg erlebte, gab im nachhinein den strategischen Auffassungen von Carl Hahn recht, mit denen er sich noch bis 1934 in Auseinandersetzung mit Rasmussen die Zähne auszubeißen schien. Bemerkenswert aber ebenso, daß auch auf unserem sächsischen Industrierevier in DDR-Zeiten auf dem Gebiet des Fahrzeugbaus beachtliches geleistet wurde, ich rede hier nicht nur von der berühmten Zwickauer "Rennpappe" (Ihr wißt, was ich damit meine - war wirklich eine Legende auf Rädern !!) sondern z.B. auch von Barkas, wo ich meinen ESP Unterrricht hatte. Barkas sollte eigentlich schon in tiefsten DDR-Zeiten eingestellt werden, doch die kleinen BENELUX-Länder waren von ihm so angetan, daß sie damit "spielten", alle wirtschaftlichen NSW-Verträge aufzukündigen, falls sie nicht mehr in den Genuß ihres geliebten DDR-Kleintransporters kommen würden. Mehr als schade eigentlich, daß das Boot des sächsischen Automobilbaus, subsummiert unter dem geläufigen Begriff VEB IFA, nach der Wende wiederum erneut und nunmehr mit noch mehr Löchern im Rumpf, ganz gefährlich tief zu sinken drohte, wenn auch diesmal aus ganz anderen Gründen. Ähnliches mag vielleicht Herrn Prof. Dr. Dr. hc. Carl Horst Hahn (ich rede jetzt von Carl Hahn junior, der Kindheit und frühe Jugend in Chemnitz verbrachte - Händelstraße 9) bewogen haben, eine eigentlich mehr als spektakuläre Rettungsaktion zur Erhaltung des hiesigen Automobilbaus zu starten, nunmehr unter VW-Logo, aber an sehr geschichtsträchtigem Ort. Seiner ausgesprochenen beispielhaften Einsatzfreudigkeit (und unvergleichlichen Risikobereitschaft) ist es u.a. zu verdanken, daß in der Chemnitz-Zwickauer Region an die 50 000 Arbeitsplätze erhalten bzw. neu geschaffen werden konnten und ich glaube, nachdem er sich bereits der Chemnitzer Ehrenbürgerwürde und zahlreicher weiterer Würdigungen erfreut (die nun wiederum die aufgestellte Tafel besser zur Darstellung bringt) ist das schon einen ganz besonders blank geputzten Flickr-Orden wert ...
PS.: Es ist das Verdienst der heute dort residierenden Firma Community4you, die geschichtsträchtige Villa nach einem ihrer einstigen Bewohner (und nicht Besitzer) benannt zu haben, damit gelang eine (in meinen Augen) ganz besondere und bemerkenswerte Form der Anerkennung von Hahns Verdiensten - des Vaters wie auch des Sohnes. Dafür meinen herzlichsten Dank !
Nachden die Villa nach dem Krieg kurz leer stand, wurde sie Anfang der 50-er Jahre zu einem Heim für schwer erziehbare Kinder umfunktioniert. Die besagten Kinder und Jugendlichen fanden dort für DDR-Verhältnisse denkbar beste Bedingungen vor, eigentlich viel bessere, als sie die "leicht erziehbaren" also quasi die gut erzogenen Kinder erwarten durften, wie oftmals in sarkastischem Unterton anklang. Doch die familiäre Nestwärme, die ihnen am meisten fehlte, war trotz redlichster Bemühungen durch nichts zu ersetzen ...
Quelle: http://www.flickr.com/photos/41569813@N03/5854990106/
Bild: Uwe Kaufmann
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