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Die *weiterhin aufrechterhaltene Position* der verantwortlichen Schädiger der Heimkinder – hier präsentiert in sechs Teilen.
ERSTE TEIL VON SECHS TEILEN ZU DIESEM THEMA.
( Hier, erst einmal, ein Vortrag von Prof. Dr. Manfred Kappeler - KOBLENZ )
Prof. Dr. Manfred Kappeler
SEITE 45-55 –
»Überlegungen zum Umgang mit Vergangenheitsschuld in der Kinder- und Jugendhilfe«
( KOBLENZ, 05.03.2008 )
@ http://www.afet-ev.de/aktuell/…Expertenges-50er-60er.pdf
( aus einer Veröffentlichung [ eines „ExpertInnengesprächs“ ] von ingesamt 56 Seiten )
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Es geht in diesem Vortrag von Professor Kappeler primär um:
Vergangenheitsschuld re der BRD-Jugendwohlfahrtsgeschichte
( über den gesamten Zeitraum von 1945 bis 1991 in Westdeutschland )
ZitatAlles anzeigen.
Prof. Dr. Manfred Kappeler
Überlegungen zum Umgang mit Vergangenheitsschuld in der Kinder- und Jugendhilfe
In den fünfziger bis siebziger Jahren war die Heimerziehung/Fürsorgeerziehung das wichtigste Teilsystem der Kinder- und Jugendhilfe und zugleich sein Schluss-Stein, von dem her das ganze sogenannte „Vor-Feld“ bestimmt wurde.
Das Unrecht, das Kindern und Jugendlichen in diesem System zugefügt wurde, ist nicht nur die Schuld einzelner Menschen. Diese Schuld betrifft die Vergangenheit der Bundesrepublik [ Deutschland ] insgesamt, einen großen Abschnitt ihrer Geschichte. Sie verdunkelt die nachfolgende Gegenwart und macht Vergangenheitsschuld zu einem generationenübergreifenden Thema in der Sozialen Arbeit.31
Der juristische Schuldbegriff bezieht sich „auf Handlungen und Unterlassungen, die im Widerspruch zu Normen des geltenden Rechts stehen“, der alltägliche Begriff der Schuld bezieht sich auf die Verletzung anderer Normen, „Normen der Religion, der Moral, des Takts, der Sitte und des Funktionierens von Kommunikation und Interaktion. Beide Male wird an das eigene Verhalten eines Einzelnen angeknüpft und für den Schuldvorwurf vorausgesetzt, dass der Einzelne sich normwidrig verhalten hat, obwohl er zu normgemäßem Verhalten fähig war.“ (Schlink 2002, 12).
Die Behauptung, die TäterInnen seien „Kinder ihrer Zeit“, sie handelten in Übereinstimmung mit den „gängigen Vorstellungen von Erziehung und mit dem vorherrschenden Bild von schwer erziehbaren Kindern und Jugendlichen“, sie hätten in der Heimerziehung/Fürsorgeerziehung nur die Erziehung praktiziert, die auch außerhalb der Einrichtungen in der Gesellschaft „üblich“ gewesen sei, bezweckt eine Generalamnestie, die das „System“ entlasten soll. Es kann nachgewiesen werden, dass es zu allen Zeiten, besonders aber in der Deutschen Nachkriegsgeschichte, eine entwickelte Kritik an menschenunwürdigen und unter sozialpädagogischen Gesichtspunkten kontraproduktiven Verhältnissen, Sichtweisen und Methoden gegeben hat. Es gab zu jedem einzelnen Kritikpunkt Verbesserungs- beziehungsweise Veränderungsvorschläge und es gab eine alternative Praxis, bis hin zu als Modelleinrichtungen zur Reform der Heimerziehung konzipierten Heimen. Die wissenschaftlichfachliche Kritik und die alternative Praxis als praktische Kritik können dokumentiert werden. Die Landesjugendämter als „Fürsorgeerziehungs-Behörde“ waren gesetzlich verpflichtet, die Minderjährigen, für die Fürsorgeerziehung angeordnet war oder freiwillige Erziehungshilfe vereinbart wurde, während der ganzen Zeit ihres Heimaufenthalts persönlich zu begleiten und sich über ihr Wohlergehen ständig zu informieren. Die kommunalen Jugendämter, die Kinder auf der Grundlage der Paragraphen 5 und 6 des Jugendwohlfahrtsgesetzes in Heimen „unterbrachten“, waren verpflichtet, sich über die Wirkungen der Heimerziehung auf diese Kinder auf dem Laufenden zu halten. Die Vormünder, die ihre Zustimmung zur „Unterbringung“ gaben, waren verpflichtet, ihre Mündel auch während ihres Heimaufenthalts zu begleiten, sich um ihr Wohlergehen zu sorgen und sie vor Schädigungen zu schützen.
Da alle „unehelich geborenen“ Kinder bis in die siebziger Jahre hinein automatisch einen Amtsvormund bekamen und diese Kinder eine sehr große Gruppe in der Heim und Fürsorgeerziehung bildeten, trug das „Vormundschaftswesen“ insgesamt eine große Verantwortung für sehr viele Kinder und Jugendliche. Die Vormundschaftsrichter, die Fürsorgeerziehung anordneten, waren verpflichtet, die Jugendlichen anzuhören und sich ein umfassendes Bild von ihrer Situation zu schaffen. Die Jugendrichter, die im Wege eines Jugendstrafverfahrens Fürsorgeerziehung verhängten, waren verpflichtet, zu prüfen, ob die Anstalten, in die die Jugendlichen eingewiesen wurden, dem Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht gerecht werden konnten. Die öffentlichen und freien Träger der Heime [ Länder und Kommunen: Staat und Kirchen und sonstige Mitglieder der Wohlfahrtsverbände ] waren verpflichtet, für optimale Rahmenbedingungen (Zustand und Einrichtung der Gebäude, leibliche Versorgung der Kinder und Jugendlichen, Möglichkeiten zur Schul- und Berufsausbildung) und für eine das Wohl der Kinder achtende und die Belastungen aus ihrer Vergangenheit überwindende Erziehung durch qualifiziertes Personal Sorge zu tragen. Die Heimleitungen waren verpflichtet, für die Umsetzung der entwickelten erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Standards durch ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu sorgen und darauf zu achten, dass die Würde der Kinder und Jugendlichen durch „harte Erziehungsmaßnahmen“ nicht verletzt wurde. Die Erzieherinnen und Erzieher waren verpflichtet, in ihrem unmittelbaren Umgang mit den Kindern und Jugendlichen eine unterstützende und behütende Pädagogik zu praktizieren, im Geiste des Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Auf allen diesen Ebenen von Verantwortlichkeit haben sich Verantwortliche „normwidrig“ verhalten. Sie sind schuldig geworden, weil sie zu „normgemäßem Verhalten“, zu dem sie das geltende Jugendrecht und die in der Kinder- und Jugendhilfe auch damals schon entwickelten Standards verpflichteten.
Gegen das ihnen in der Heimerziehung/Fürsorgeerziehung zugefügte Unrecht haben Kinder und Jugendliche zu allen Zeiten, also auch schon vor der Heimkampagne Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre, Widerstand geleistet. Die Zeugnisse dieses Widerstands, diese Kritik an einer menschenfeindlichen „Schwarzen Pädagogik“ in Einrichtungen der Jugendhilfe“ müssen gesammelt und dokumentiert werden. Sie sind ein authentischer Beleg für das Unrechtssystem, für die Stimme der Opfer, die in der Fach- und allgemeinen Öffentlichkeit hätte gehört werden können, aber nicht gehört wurde. An diesem Punkt geht es um gesellschaftliche, historische Schuld, die analysiert werden muss. Es geht um die Offenlegung der Ideologien, Strukturen und Interessen, die dieses System produzierten und aufrecht erhielten und es geht darum, aus dieser Analyse für Theorie und Praxis in der Kinder- und Jugendhilfe heute pädagogische und politische Konsequenzen zu ziehen:
a) Bezogen auf die moralische und materielle „Wieder-Gut-Machung“ in der Form von vorbehaltloser Entschuldigung für das zugefügte Leid und materieller Entschädigung für zerstörte Lebenschancen und konkrete finanzielle Einbußen, zum Beispiel bei der Höhe der Rente.
b) Bezogen auf die aktuelle Debatte über Geschlossene Unterbringung, Boot-Camps, jugendliche Intensivtäter, Änderungen des Jugendstrafrechts, Lob der Disziplin etc.
Schuld haben nicht nur die unmittelbaren Täter, sondern auch die Verantwortlichen für das „System der Totalen Institutionen“ und alle, die Widerstand und Widerspruch unterlassen haben, obwohl sie dazu fähig waren. Die Grundlage für ihre Schuld ist die Norm: Verbrechen nicht nur nicht zu begehen und sich nicht an ihnen zu beteiligen und nicht von den Taten anderer zu profitieren, sondern ihnen mit Widerstand und Widerspruch entgegen zu treten. Das hat nichts mit „Kollektivschuld“ zu tun (vgl. Schlink a.a.O.).
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[ fortgesetzt im nächsten Beitrag ]
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