Kinderheim Rückersdorf Genesungsheim

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  • Am 20. Juli 1956 feierte ich meinen 10. Geburtstag im Kinderheim Rückersdorf. Als besonderes Geschenk brauchte ich an diesem Tag nicht am täglichen Mittagsschalf teilhaben, sondern durfte stattdessen, begleitet, einen Ausflug ins Dorf unternehemen.


    Ich hatte eine äußerst schwierige und traurige Kindheit und Jugend. Den "Asperger Autismus" der mir erst im 60. Lebensjahr diagnostiziert wurde, gab es damals noch nicht und so schickte mich die Schulpsychatrie zu einem längeren Heimaufenthalt nach Rückersdorf.


    Zwar änderte das Heim nichts am weiteren sehr problematischen Verlauf meiner Jugend, aber der Aufenthalt dort ist mir als eine gradezu wunderschöne Zeit in Erinnerung, strahlendend und hell in einer grauen und grauenvollen Lebensphase.


    Ich erinnere mich an die "Schule" in der es keinerlei Leistungsdruck, sondern Süßigkeiten gab statt Hausaufgaben. Ich erinnere mich an die tägliche Gutenachtgeschichte, fesselnd und spannend vorgetragen aus der Abenteuereihe von Edith Blyton. Ich erinnere mich an ein sehr liebevoll gestaltetes Kinderfest und an einen Zauberer, dem ich später als Erwachsener nachstrebte und damit in Kindergärten und Schulen mein tägliches Brot verdiente.


    Ich wurde vor die Wahl gestellt, einer Bastelgruppe oder einer Tanzgruppe anzugehören. Ich entschied mich für das Tanzen und fand mich dann in einer reinen Mädchenveranstaltung wieder, während die Jungen beim Basteln unter sich blieben. Ei, was war mir das peinlich.


    Einmal besuchten wir Jungen allesamt nachts heimlich still und leise das Mädchenhaus. Natürlich flog das auf und wir mussten als Strafe Tannenzapfen für die Heizung sammeln.


    Der Heimaufenthalt war eine wunderbare Erfahrung und ich konnte einfach nicht verstehen, warum man im Allgemeinen die armen Waisenkinder und Heimkinder so sehr bedauerte. Ich beneidete sie glühend. Eines Nachts hatte ich den Traum, meine Eltern wären verunglückt und gestorben und ich armes Kind müsse nun ins Waisenhaus. Heimlich strahlte ich vor Glücksehligkeit und ich war bitter enttäuscht, als ich erwachte und feststellen musste, dass es nur ein Traum gewesen ist.


    Ein einziges wirkliches Problem gab es für mich in Rückersdorf allerdings schon, und das war der tägliche Mittagsschlaf. Nachts hatte ich keine Schlafprobleme aber am Tag konnte ich einfach nicht schlafen, das war mir völlig unmöglich. Natürlich konnte man uns den Schlaf nicht befehlen, aber man wachte gewissenhaft darüber, ob wir in unseren Feldbetten auf der überdachten Veranda mit geschlossenen Augen dalagen. Es war täglich eine Tortour, außer an meinem 10. Geburtstag. Geburtstagskinder brauchten nicht zu schlafen.


    Herzlichst!


    Dieter



    Einmal editiert, zuletzt von jw1hal ()

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