Opfer sexuellen Missbrauchs aus den vergangenen Jahrzehnten können voraussichtlich nicht mit staatlichen Entschädigungszahlungen rechnen.
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, schlug am Dienstag in Berlin einen staatlichen Fonds für Therapiehilfen für Opfer von Missbrauch in der Familie sowie eine Form der Genugtuung durch die Institutionen vor. «Ich gehe davon aus, dass diesen Empfehlungen gefolgt wird», sagte die von der Bundesregierung berufene unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Vorstellung ihres Abschlussberichts.
Bergmann präsentierte einen Katalog an Empfehlungen für bereits verjährte Fälle. Die SPD-Politikerin sprach sich dafür aus, dass mehr Therapieformen als bisher und mehr Therapiestunden von den Krankenkassen übernommen werden sollen. Zudem müssten die Beratungsangebote, gerade für Männer und auf dem Land, verbessert werden.
Der Bund müsse einen «Topf» finanzieren, aus dem Therapien und Beratung für Opfer bezahlt werden könnten. Es soll aber keine pauschalen Entschädigungssätze geben. Eine unabhängige Clearingstelle, die mit Experten besetzt sein soll, soll die Plausibilität der schriftlichen Anträge der Betroffenen prüfen und dann entscheiden, ob gezahlt wird. «Keiner kann sagen, wieviel es sein wird», sagte Bergmann. Eine Therapie von 50 Stunden koste etwa 5.000 Euro.
Die Institutionen, in denen es Missbrauchsfälle gab, sollen auf Wunsch der Betroffenen einmalige Entschädigungen zahlen, schlägt Bergmann vor. Die Summen sollten sich an dem Schmerzensgeld orientieren, dass das Opfer auch vor Gericht hätte erzielen können. Auch die rückwirkende Übernahme von Therapiekosten sowie die Einrichtung einer internen Beschwerdemöglichkeit gehört zu den Empfehlungen für die Institutionen. Offenbar Abstand genommen hat Bergmann von der Idee, dass die Kirchen, Schulen und Sportvereine in einen gemeinsamen Fonds des Bundes und der Länder einzahlen. Opfer, deren Fall noch nicht verjährt ist, werden auf den Rechtsweg verwiesen.
Die katholische Kirche hatte beschlossen, Missbrauchsopfern 5.000 Euro zu zahlen, in sehr schweren Fällen auch mehr. Außerdem wollen sie die Kosten für Therapien übernehmen. 500.000 Euro will die katholische Kirche in einen eigenen Präventionsfonds investieren.
Der Runde Tisch Missbrauch war im April 2010 von der Bundesregierung eingesetzt worden als Reaktion auf die zahlreichen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und in Internaten. Er soll die Vorgänge aufarbeiten, Präventionsstrategien entwickeln und hat Bergmann beauftragt, Empfehlungen für Entschädigungen und Hilfen auszusprechen. Am 6. Juni kommt der Runde Tisch erneut zu einer Sitzung zusammen, bei der voraussichtlich die Entschädigungsfrage im Zentrum stehen wird.
(Quelle epd)