Beiträge von micky

    "Systematischer Sadismus" bis in die 1990er Jahre


    In den Wiener Heimen war Gewalt gegen Kinder offenbar bis in die 1990er Jahre üblich. Kinderpsychiater Berger spricht von einem "fast systematischen Sadismus".


    In den Wiener Heimen war Gewalt gegen Kinder bis in die 1990er Jahre üblich. Das hat der Kinderpsychiater Ernst Berger im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch berichtet. Er hat Gespräche mit zahlreichen Betroffenen geführt. Diese hätten von einem "fast systematischen Sadismus" erzählt, so Berger.


    Der Psychiater hat 100 Gespräche ausgewertet. Laut Berger war darin häufig von entwürdigenden Situationen die Rede. Von sexueller Gewalt waren 40 der 100 Gesprächspartner betroffen, zum Teil durch Erzieher, aber auch durch Nonnen, die Wiener Heime führten.


    Nur ein Drittel seiner Gesprächspartner habe es später zu einer stabilen Partnerschaft gebracht, schilderte Berger. Zwölf Prozent hätten später keine Partnerschaften, 55 Prozent instabile Partnerschaften gehabt. 27 Prozent sind laut dem Kinderpsychiater kriminell geworden.


    Laut Berger hat sich die Situation Ende der 1990er Jahre verbessert, nachdem die Großheime geschlossen worden waren. Sie wurden im Zuge einer Reihe von Reformen aufgelöst. Betroffene, die in diesen Einrichtungen Missbrauch erleiden mussten, werden inzwischen auch von der Stadt entschädigt. Eine entsprechende Initiative wurde 2010 ins Leben gerufen.


    Quelle : Kleine Zeitung

    Ich schwor, es ihnen heimzuzahlen
    Ralf Weber verbrachte zwölf Jahre in Heimen der DDR / Forscher sprechen vom „geschlossenen System“
    POTSDAM - Fünzig Jahre hat es gedauert, bis das Regime in Kinderheimen der jungen Bundesrepublik am „Runden Tisch Heimerziehung“ offengelegt wurde. Ein Ergebnis des Abschlussberichts von 2011: Ein Fonds zur Entschädigung ehemaliger Heimkinder. Am 26. März will nun auch die Arbeitsgruppe „Aufarbeitung DDR-Heimerziehung“ des Bundes und der Länder einen Abschlussbericht vorlegen. Auch hier wird es darum gehen, wie den Opfern eines unmenschlichen Systems geholfen werden könnte.


    Da ist zum Beispiel Ralf Weber. In einer Tagung an der Fachhochschule Potsdam (FHP) über die Heimerziehung in beiden Teilen Deutschlands hat der 56-Jährige schon eine Stunde lang wie ein Wasserfall über sein Leben in Heimen der DDR erzählt. Dann schnauft und schluckt er. Weber erinnert sich an die Selbstmorde seiner Leidensgenossen im damaligen Jugendwerkhof Torgau im Norwesten Sachsens.


    „Ein Junge hat sein Turnhemd in Streifen gerissen und sich erhängt“, sagt Weber mit belegter Stimme. „Wir hatten Jugendliche, die sich körperlich verletzten, nur um hier heraus zu kommen.“ Manche hätten Eisenspäne verschluckt, manche Säure getrunken. Weber tat etwas anderes. „Nach einer Woche bin ich zum Entschluss gelangt, dass ich das hier überleben würde“, sagt er. Als ihn am zweiten Tag zwei Erzieher zusammenschlugen, schwor er sich, ihnen das irgendwann heimzuzahlen.


    Weber war wegen eines Fluchtversuchs aus dem südlich von Jena gelegenen thüringischen Jugendwerkhof Hummelshain – dem einzigen, den er je unternommen hatte – nach Torgau gebracht worden. Am Morgen nach seiner Ankunft nahm sich der Direktor acht Stunden lang des Neuen an. Mit halboffenen Turnschuhen musste Weber im Hof auf Schotter laufen. Die Splitter gerieten in den Schuh und schnitten in Webers Fuß. Der Fünfzehnjährige musste Liegestütze machen, bis ihm auch die Hände zerschnitten waren. Als er sich vor Verzweiflung gegen eine Mauer warf, um ohnmächtig zu werden, hieb ihm der Leiter der Einrichtung so lange mit dem Schlüsselbund ins Gesicht, bis Weber sich weiter mit Liegestützen abquälte.


    Torgau. Der Name des Jugendwerkhofs weckte in Heimkindern der DDR grausige Vorstellungen. Vom 1. Mai 1964 bis zum 11. November 1989 wurden mehr als 4000 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren zur angeblichen „Anbahnung eines Umerziehungsprozesses“ eingewiesen. Doch um Umerziehung ging es im einzigen offiziell geschlossenen Jugendwerkhof der DDR nicht. Tatsächlich sollte der Wille der Insassen gebrochen und denjenigen gedroht werden, die noch nicht drinnen gewesen waren. Heute ist der Ort eine von der Europäischen Union ausgezeichnete Gedenkstätte.


    Manfred Kappeler, ermeritierter Sozialpädagoge von der Technischen Universität (TU) Berlin, nennt Torgau ein Symbol für die Heimerziehung der DDR überhaupt. „Die ganze Heimerziehung der DDR war ein geschlossenes System“, sagt er. Die Türen blieben in allen Heimen zu, die Kinder waren in einem Gefängnis. Torgau sei nur der Endpunkt einer Reihe von Maßregelungen gewesen.


    Kappeler hat in den 70er Jahren in einer Art Undercover-Recherche die Missstände in den westdeutschen Heimen aufgedeckt. Vor zwei Jahren hat er in einer Studie über Berliner Heimerziehung auch die Heime in Ost-Berlin betrachtet. Während der Westen vor allem schwierige Kinder aus dem Arbeitermilieu an die Kandarre nahm, sollten in der DDR „Nicht-Kollektivfähige“ zu sozialistischen Persönlichkeiten werden. Dafür gab es Handreichungen zum Beispiel vom Institut für Jugendhilfe in Falkensee. Eberhard Mannschatz, bis 1977 Funktionär im DDR-Ministerium für Volksbildung, erläutert 1959 in einem Aufsatz die „Rolle der Ideologie bei der sozialistischen Umgestaltung der Jugendhilfe“. In Mannschatz’ Zuständigkeit fiel auch der Werkhof Torgau.


    „Die Repressionen stiegen von Einrichtung zu Einrichtung“, sagt Weber. Angefangen hatte seine Leidensgeschichte Anfang der 60er Jahre. Die überforderte Mutter hatte jahrelang einen Scheidungskrieg gegen einen gewalttätigen, trinkenden Vater geführt. Als ein Gericht 1959 endlich ein Scheidungsurteil vollstreckte, war Ralf Weber vier Jahre alt.


    Die geschiedene Mutter arbeitet ganztägig. Den schulpflichtigen Sohn weckt sie morgens um vier Uhr. Er steht ab sechs Uhr vor der Schule und wartet, bis sie geöffnet wird. Der Sechsjährige ist müde und unaufmerksam. Lehrer meinen, der Junge sei seinen Schulpflichten nicht gewachsen. Das ist der Moment, in dem die Jugendhilfe der DDR eingeschaltet wird. Die diagnostiziert bei dem unter Stimmungsschwankungen leidenden Kind eine latente Schizophrenie und einen angeblichen hirngenetischen Defekt. Mit dieser Diagnose ist das Schicksal des gebürtigen Thüringers besiegelt. In den folgenden Jahren durchwandert er vier verschiedene Erziehungsheime in der Republik.


    In den Heimen ist das Reden im Schlafsaal verboten. Zu den Bestrafungen gehört zum Beispiel, stundenlang nackt im kalten Flur zu stehen. Im Berliner „Kombinat der Sonderheime für Psychodiagnostik und pädagogisch-psychologische Therapie“ wird der elfjährige Weber ab 1966 medizinisch behandelt. Weber spricht gar von illegalen Experimenten. Spritzen in die Hüften verursachen Magenbrennen und Krämpfe. Der Junge wehrt sich. Er wird auf dem Bett fixiert. Schwestern halten ihn fest, wenn ihm die Spritzen verpasst werden.


    Webers Mutter und ihr neuer Mann fragen einen unabhängigen Mediziner. Der kennt die Medikamente nicht, die Ralf Weber bekommt. Ein Pulver, das ihm der Professor zur Linderung seiner Schmerzen gibt, wird dem Jungen in dem Heim wieder abgenommen.


    Die Traumen, die Weber in diesen Jahren zugefügt wurden, haben ihre Spuren hinterlassen. Weber ist arbeitsunfähig und frühverrentet. Weiße Kittel versetzen ihn in Panik. Spritzen sind ganz unmöglich. Groll gegen seine Mutter hegt er aber nicht. Sie habe, soweit es ihre knapp bemessene Zeit zuließ, versucht, den Kontakt zu halten. Doch jedesmal, wenn sie und der Stiefvater in die Heimerziehung eingriffen, musste es Ralf Weber büßen – meistens mit Schlägen. Er selbst bat seine Eltern in Briefen, nichts mehr zu unternehmen.


    Der Diplomsozialpädagoge der Fachhochschule Potsdam, Matthias Schreckenbach, der sich mit seinen Studenten lange mit der Heimerziehung in der DDR befasst hat, meint, Webers Deutung seiner medizinischen Behandlung sei unter Vorbehalt zu sehen. „Der Bericht ist aber sicher repräsentativ für die Erfahrungen im Jugendwerkhof Torgau.“ Was die Gewalt in den normalen Heimen angehe, machten andere Zeitzeugen ganz ähnliche Aussagen wie Weber. Dass er kein Einzelfall sei, habe auch das Land Brandenburg eingesehen. Der Diktaturbeauftragten des Landes, Ulrike Poppe, ist eine Abteilung zur Heimerziehung zugeordnet worden.


    „Wir sind eine Stelle, die ein relativ großes Vertrauen genießt“, sagt die für Heimerziehung zuständige Beraterin Silvana Hilliger. Die Abteilung behandele keineswegs eine Marginalie der DDR. „Ich würde sagen, wir bekommen um die zehn Anrufe in der Woche“, sagt Hilliger. „Es sind oft lange Gespräche.“ Von schlimmen Erfahrungen berichten insbesondere ehemalige Insassen der sogenannten Durchgangsheime. „Dort ist die Situation besonders schlimm gewesen.“


    Auch Heimforscher Kappeler sieht Webers Bericht durch die Befunde der DDR-Forschung gestützt. Sicher: „Es gab in beiden deutschen Staaten Erzieherinnen und Erzieher, die versucht haben, eine andere Praxis zu gestalten.“ Das ändere aber nichts am Zweck der Heime. Und der lautete: Disziplinierung.


    Weber haben die Heime nicht diszipliniert. Sie haben im Gegenteil seine Wut angefacht. Seit der Wende kämpft Weber als Vorsitzender des Opferbeirates der Gedenkstätte Torgau dafür, dass die DDR-Heimerziehung als Verletzung elementarer Menschenrechte anerkannt wird. Ehemalige Heimkinder sollen entschädigt werden. Für seine Tage in Torgau hat ihm das Berliner Kammergericht schon 2004 Recht gegeben. Doch bei seiner Zeit als Insasse der „normalen“ Heime mauern die untergeordneten Gerichte. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 2009 sein Leben dort als widerrechtlichen Freiheitsentzug gewertet hat. (Von Rüdiger Braun)


    Quelle : Märkische Allgemeine

    Diakonie will ehemaligen Heimkindern helfen
    Missbrauch Pfarrer Thomas Feld ist Ansprechpartner – Historisches Forschungsprojekt in diesem Jahr geplant
    Betroffene können mit Entschädigungen bis zu 10 000 Euro rechnen. Die Hilfe soll unbürokratisch vergeben werden.


    von Anna Zacharias


    Oldenburg - Es ist kein leichtes Thema, über das Pfarrer Thomas Feld sprechen will. Der Oldenburger Diakoniechef stellt sich als Ansprechpartner für ehemalige Heimkinder, die Missbrauch erfahren haben, zur Verfügung. Bundesregierung und Kirchen stellen in einem Entschädigungsfonds insgesamt 120 Millionen Euro bereit. Auch die Diakonie hat sich an der Finanzierung beteiligt.


    In der Zeit von 1949 bis 1975 lebten etwa 700 000 bis 800 000 Kinder und Jugendliche in Heimen in der Bundesrepublik. „Für uns ist das ein ganz wichtiges Thema“, sagt Feld. Er wisse um die tiefen seelischen Folgen, die Misshandlungen und sexueller Missbrauch haben kann. „Es ist oft besser, die Verletzungen zu verarbeiten, als sie zu vergessen“, sagt er.


    Wer Opfer der zum Teil brutalen Erziehungsmethoden der Nachkriegszeit geworden ist, kann sich auch bei Städten und Gemeinden im Oldenburger Land melden. (Stadt Oldenburg: Britta Ehlke, Tel. 0441/235 2331). „Der erste Gang zu einer Förderstelle ist schwer. Deswegen möchte ich mich als Vermittlungsstelle anbieten“, sagt der Pfarrer.


    Mit den Mitteln des Entschädigungsfonds sollen Therapien für die Opfer entwickelt und auch entgangene Rentenbeiträge für jene, die zur Arbeit gezwungen wurden, zur Verfügung gestellt werden.


    „Wer glaubhaft vermitteln kann, dass er betroffen war, kann voraussichtlich mit einer Entschädigung bis zu 10 000 Euro rechnen“, sagt Feld. Die Problematik einer solchen „Beweisführung“ ist ihm bewusst. „Die Detailfragen sind dabei noch nicht ganz geklärt, aber ich gehe davon aus, dass es keine kleinlichen Beurteilungen geben wird“, erklärt Feld. Wer überhaupt in einer solchen Institution gewesen sei, bleibe davon nicht unberührt.


    Noch im Laufe dieses Jahres will die Diakonie ein Forschungsprojekt über das Thema Heimpädagogik im Dritten Reich und der Nachkriegszeit im Oldenburger Land initiieren. „Dafür sind wir auf Zeitzeugen angewiesen, die wir bitten, sich bei uns zu melden“, sagt Feld.


    Betroffene und Zeitzeugen erreichen Pfarrer Thomas Feld in Oldenburg unter Tel. 0441/2 10 01 70.


    Quelle: NWZ Online

    Soziales
    Der Schritt aus dem Schatten
    Eine Frau aus Mecklenburg-Vorpommern kämpft für die Entschädigung von DDR-Heimkindern
    Greifswald (epd). Sie sollte für immer schweigen. Doch vor zwei Jahren veröffentlichte Heidemarie Puls dann doch ein Buch über ihre Leidensgeschichte in den Jugendwerkhöfen der DDR. Seit Dezember ist sie zudem Vorsitzende des neugegründeten Interessenverbandes Heimkinder Mecklenburg-Vorpommern. Die 54-Jährige vertritt das Bundesland in der Arbeitsgruppe des Bundes, die Ende März Vorschläge für eine Entschädigung der DDR-Heimkinder vorlegen will.


    Auf dem Titel ihres Buches sieht man eine junge Frau mit kahl rasiertem Kopf, großen Augen und aufeinander gepressten Lippen. "Die Erzieher haben mich in Torgau gebrochen, um anschließend Stück für Stück eine sozialistische Persönlichkeit aufzubauen", sagt Heidemarie Puls. Der dortige Jugendwerkhof war das berüchtigtste DDR-Heim. Zwischen 1964 und 1989 waren in der Einrichtung schätzungsweise 4.000 Jungen und Mädchen zwangsweise untergebracht.


    Wäre es nach den Verantwortlichen gegangen, hätte sie die Schläge, die sexuelle Gewalt, den Sport bis an den Rand der Folter, Isolationshaft und den militärischen Drill für immer in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins verbannt. Dafür hätte es vielleicht gar nicht des Schweigegelübdes bedurft, das sie 1974 als 17-Jährige unterschrieb, um Torgau endlich hinter sich zu lassen. Denn ihre Angst, sich den Gefühlen der sechs Monate im Jugendwerkhof zu stellen, wog so schwer, dass Heidemarie Puls sich nicht einmal ihrem späteren Mann offenbarte.


    Ihre Geschichte beginnt, als der alkoholkranke Stiefvater die Elfjährige 1968 in der mecklenburgischen Kleinstadt Neukalen vergewaltigt. Die Mutter reagiert lieblos und überfordert. Kein Erwachsener schaut hinter die Fassade des Mädchens, niemand macht sich die Mühe nachzufragen. Nach einem Selbstmord- und mehreren Ausreißversuchen wird sie ins Heim geschickt.


    Wieder und wieder versucht sie wegzulaufen. Es folgt eine Odyssee von einem Heim zum nächsten, Endstation ist der Jugendwerkhof Torgau. Hinter seinen Mauern sind die Jugendlichen der Willkür der "Erzieher" ausgeliefert, Stacheldraht, Wachtürme und scharfe Hunde machen jede Flucht unmöglich.


    "Nach meiner Entlassung habe ich funktioniert", sagt Heidemarie Puls. Sie verbrennt alle Papiere. Erfindet ihre Jugend neu. Versucht zu vergessen. Sie denkt nicht mehr daran, wie die Erzieher sie immer wieder mitten in der Nacht den Flur reinigen ließen, bis sie vor Verzweiflung begann, das Putzmittel auszutrinken. Nicht an die dreifache Portion Essen, die ihr aufgezwungen wurde. Nicht an den Rohrstock mit dem man sie bewusstlos schlug. Und auch nicht an den Erzieher, der sie unter einem Vorwand zu sich ins Büro rief, um sie sexuell zu misshandeln.


    Heidemarie Puls heiratet, arbeitet, bekommt drei Kinder. Sie leidet unter Waschzwang und Bulimie, begeht bis 1989 mehrere Suizidversuche. "Für mich war die Mauer auch eine Mauer des Schweigens, dahinter wartete das Leben", sagt sie. 1998 macht sie eine erste Therapie, 2004 beginnt sie an ihrem Buch zu schreiben. 2009 wird "Schattenkinder hinter Torgauer Mauern" veröffentlicht. Es ist weniger ein literarisches Werk, als ein zeitgeschichtliches Dokument.


    Ein Jahr zuvor richtete der Petitionsausschuss des Bundestages einen Runden Tisch ein, um die Zustände in den Kinderheimen der frühen Bundesrepublik zu untersuchen und präsentierte Ende 2010 einen Abschlussbericht. "Ich war so enttäuscht", sagt Puls, "die Geschichte der Heimkinder der DDR spielte in der öffentlichen Debatte überhaupt keine Rolle. Dabei hatte ich doch schon geredet! Ich dachte: Wieder hört mir niemand zu!"


    Puls nahm sich vor, noch lauter zu werden. Wer immer will, bekommt fortan ihre Geschichte erzählt. Puls nennt das "nackig machen". Sie gibt Interviews, tritt in einer RTL-Fernsehreportage auf und veranstaltet Lesereisen.


    Der Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Greifswalder Universitätsklinik, Philipp Kuwert, hält gesellschaftliche Anerkennung für eine Grundvoraussetzung, damit Traumatisierte ihre Erlebnisse verarbeiten können. "In den meisten Opfergruppen gibt es ein paar wenige, die den Weg an die Öffentlichkeit gehen", sagt er. "Vielleicht auch für die anderen, die es selbst nicht schaffen."


    epd ost al jh


    Evangelischer Pressedienst

    Malaria-Opfer lässt Klage prüfen
    Opfer-Anwalt Öhlböck will die Malaria-Versuche an einem ehemaligen Heimkind vor Gericht bringen.


    Letztes Update am 07.02.2012, 15:34
    Das ehemalige Heimkind Wilhelm J. erhob am Montag schwere Vorwürfe gegen die Wiener Uni-Klinik. Der heute 63-Jährige soll 1964 von Ärzten der Klinik mit Malaria infiziert worden sein. Unklar ist noch, ob zur Behandlung der von einem Psychologen diagnostizierten „Psychopathie“, oder zur Züchtung der Krankheitserreger.


    Wilhelm J. hat sich an den Wiener Anwalt Johannes Öhlböck gewandt, der bereits mehrere ehemalige Heimkinder rechtlich vertritt. „Der wichtigste Punkt ist, alle Akten herbeizuschaffen“, sagt Öhlböck. Der Jurist will Heim- und Krankenakten, so vorhanden, sichten. „Dann stellt sich die Frage der Verantwortung“, erklärt der Anwalt. Für ihn kommen entweder die Stadt Wien als Trägerin des Spitals oder die Republik Österreich als übergeordnete Stelle der Universitätsklinik infrage. „Und dann gilt es, Ansprüche geltend zu machen.“


    Problematisch könnte die Frage der Verjährung werden. „Das ist dasselbe Problem wie bei anderen Spielarten, wie man mit Heimkindern umgegangen ist“, sagt Öhlböck. „Egal ob es sich um psychische oder physische Gewalt oder um Missbrauch gehandelt hat.“ So etwa dürfe nicht verjähren, meint der Anwalt.


    Der Leiter der sozialpsychiatrischen Abteilung der Uni-Klinik, Johannes Wancata, will nun Ärzte, die in den 1960er-Jahren an der Uni-Klinik gearbeitet haben, hinzuziehen. „Diese Kollegen sind schon vor 10 oder 15 Jahren in Pension gegangen. Es wird also einige Zeit dauern, bis wir sie gefunden haben“, sagt Wancata. Er geht von etwa zwei bis fünf Wochen aus.
    Krisenteam


    „Wir haben ein Krisenteam eingerichtet“, sagt Dr. Siegfried Kasper, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Er hofft, dass sich Betroffene in der Klinik


    melden, um sich untersuchen zu lassen. „Ich werde mich als Klinikvorstand persönlich um die Menschen kümmern“, sagt Kasper. Er stehe auch für telefonische Anfragen zur Verfügung: 01/40400-3568 .


    Bei Wilhelm J. hat sich von der Wiener Uni-Klinik bis dato niemand gemeldet. Schon am Montag hat der 63-Jährige angegeben, noch heute an den Folgen dieser Malaria-Therapie zu leiden. „Ich habe oft völlig unangekündigte Fieberschübe und Schweißausbrüche. Nach 24 Stunden sind sie dann einfach wieder vorbei“, schildert J. Tropenmediziner bezweifeln allerdings, dass Folgen von Malaria auch noch Jahrzehnte nach der Infizierung auftreten können.


    Wilhelm J. hofft in der Zwischenzeit, dass durch seinen Gang in die Öffentlichkeit mehrere junge Menschen, mit denen er damals auf der Station gelegen ist, den Mut fassen, sich zu melden. „Das ist mein größter Wunsch.“


    Ob der 63-Jährige eine Entschädigung von der Opferschutzorganisation Weisser Ring erhält, ist noch unklar.


    Quelle : Kurier

    Schwere Vorwürfe
    Malaria-Versuche an Wiener Heimkind
    06. Februar 2012 18:31
    An der Wiener Uni-Klinik für Psychiatrie sollen in den 1960er-Jahren Versuche mit Malariaerregern durchgeführt worden sein, berichtet ein Betroffener. Die Klinikleitung zeigt sich bestürzt; die Akten aus der Zeit gelten als verloren


    Wien - Wilhelm J., einst Heimkind in Wien, bringt schwere Vorwürfe gegen die Uni-Klinik für Psychiatrie vor: 1964 sei er dort bewusst mit dem Malaria-Erreger infiziert worden, berichtete der heute 63-Jährige im Ö1-Morgenjournal. Damals wurde bei dem Jugendlichen eine "Psychopathie" diagnostiziert, er befand sich nachweislich einen Monat lang zur Behandlung in der Uni-Klinik.


    Einem Erkrankten sei Blut abgenommen worden und ihm in den Muskel gespritzt worden. Andernfalls würde er auf die geschlossene Abteilung in ein Gitterbett kommen, habe man ihm gedroht. "Eine Ärztin hat mir gesagt, das ist eine Malaria-Kur, wir machen da Versuche", sagte J. auf Ö1. Die Folgen: mehrere Wochen bis zu 42 Grad Fieber, die Fieberschübe und Schweißausbrüche dauern bis heute an.


    Verbrechen


    Tatsächlich wurde seit dem Ersten Weltkrieg mit Malaria-Erregern experimentiert, 1927 erhielt der Österreicher Julius Wagner-Jauregg für das Therapieverfahren den Nobelpreis für Medizin. Wagner-Jauregg entwickelte die Malaria-Therapie zur erfolgreichen Behandlung von Syphilis im Endstadium. Bis in die 1960er-Jahre wurde die Methode weiterhin praktiziert und auf andere Erkrankungen angewandt. Erst in dieser Zeit kamen erstmals Psychopharmaka zum Einsatz.


    Die bewusste Malaria-Infektion von Heimkindern sei ein Verbrechen, sagt Siegfried Kasper von der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie. "Wir haben sofort reagiert und ein Krisenteam eingerichtet, falls sich weitere Betroffene bei uns melden." Die Malaria-Therapie sei Mitte der 1960er-Jahre, also zu dem Zeitpunkt, als J. infiziert worden sein soll, bereits nicht mehr "Stand der Wissenschaft" gewesen, meint Kasper. Sein Vorgänger Bernd Küfferle soll sich jedenfalls laut Medienberichten noch an derartige Therapien in Wien erinnern können. Der Akt selbst gilt als verloren, lediglich aus der "heiklen Nazi-Zeit" seien relativ vollständige Aufzeichnungen an der Klinik vorhanden.


    Finanzielle Entschädigung


    J. hat sich an die Opferschutzorganisation Weißer Ring gewandt, um finanzielle Entschädigung einzufordern. Weil seine "Heimkarriere" lückenlos dokumentiert ist, sei die Institution die richtige Stelle, meint Geschäftsführerin Marianne Gammer im STANDARD-Gespräch. Medizinische Behandlung als Erziehungsmaßnahme von Heimkindern sei eine große Seltenheit: Es gebe vielleicht ein bis zwei Fälle, in denen Beschwerden eingereicht wurden, allerdings keine im Zusammenhang mit einer Malaria-Therapie. "Meist wurden Krankheiten in Heimen nicht sofort behandelt oder kein Arzt hinzugezogen", schildert Gammer die Fälle.


    Was neben der Malaria-Therapie ebenso zur Behandlung bei psychischen Erkrankungen kam, war der Einsatz von "Elektrokrampftherapie". "Selbstverständlich auch bei uns", sagt Kasper. Auch heute noch sei das eine wirksame Methode gegen Depressionen und Schizophrenie.


    In jüngster Zeit wurde Malaria-Therapie - trotz heftiger Nebenwirkungen und dokumentierter Langzeitschäden - zur Behandlung von Borreliose und HIV vorgeschlagen. 2003 veröffentlichte ein Forscherteam im chinesischen Guangzhou Ergebnisse einer Pilotstudie. Wegen Verstoßes gegen die Regeln für medizinische Versuche wird gegen beteiligte US-Forscher ermittelt.


    J. soll später keinerlei psychiatrische Behandlung mehr gebraucht haben. Die Fieberschübe begleiteten ihn jedoch ein Leben lang. (Julia Herrnböck, DER STANDARD-Printausgabe, 7.2.2012)


    Nachlese (+ Postings):


    Heimkinder in Wien sollen absichtlich mit Malaria infiziert worden sein


    Link:


    derStandard.at/Gesundheit: Malariatherapie-Nachweis nach Jahren nicht mehr möglich



    Foto: dpa/Kay Nietfeld


    Die Injektion von Plasmodien zur Übertragung einer Malaria-Infektion galt einige Zeit als Methode gegen psychische Erkrankungen. An Heimkindern soll sie unter Zwang getestet worden sein.


    Quelle : der Standard. at

    Hallo Michi,wohnst Du weit weg von dem Jugendamt? Wenn ja könntest Du die Jugendamtakte als Kopie bekommen,meine habe ich komplett als Kopie zu Hause.Frag doch einfach nochmal,falls Du sie haben möchtest.Liebe Grüße Micky

    Montag, 23. Januar 2012
    Opferentschädigung 1. und 2. Klasse?DDR-Heimkinder ringen weiter
    Jahrelang wurden sie in Heimen und Werkhöfen drangsaliert. Heute fürchten viele frühere DDR-Heimkinder, dass die geplante Entschädigung für Ostdeutschland an ihren Bedürfnissen vorbeigeht.


    Sie waren allein im Dunklen eingesperrt, bekamen Prügel oder durften nicht miteinander sprechen. Es gab drakonische Strafen und Akkordarbeit. Was Jungen und Mädchen in DDR-Heimen und Jugendwerkhöfen erlebten, hat viele von ihnen für ihr Leben gezeichnet. Nun ist eine Entschädigungsregelung in Arbeit, die sich am neuen Fonds für ehemalige Heimkinder aus Westdeutschland orientieren soll. 40 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Doch eine West-Kopie mit Verzichtserklärung und reinen Sachleistungen wollen viele ostdeutsche Betroffene nicht. Sie fordern eine andere Form der Entschädigung - zum Beispiel Monatsrenten in Höhe von 300 Euro.
    Rund 120.000 Kinder und Jugendliche haben nach Schätzungen in der DDR in Heimen gelebt. Nicht alle haben Demütigungen erfahren. Viele aber berichten von körperlichen und seelischen Qualen, die sie bis heute verfolgen. Norda Krauel aus Brandenburg wurde von ihrem Onkel sexuell missbraucht und lief von zu Hause weg. Mit 16 kam sie in ein Heim. Das warf einen Schatten über ihr ganzes Leben. "Die Schlampe aus dem Jugendwerkhof ist da!" - so wurde sie mit 18 Jahren in einem volkseigenen Betrieb in Halle vorgestellt. Der Stempel vom Jugendwerkhof im Sozialversicherungsausweis habe wie ein Stoppschild für jede weitere Lebensplanung gewirkt, sagt sie heute.


    Robby Basler, Mitglied der Selbsthilfeorganisation ehemaliger Heimkinder (DEMO) in Brandenburg, verweigerte als Teenager den Staatsbürgerkundeunterricht in der Schule. Als Strafe kam er für zwei Jahre in einen Jugendwerkhof. Heute klagt er beim Europäischen Gerichtshof gegen seine Peiniger.
    "Fondslösung ist eine Mogelpackung"


    Krauel und Baseler wenden sich entschieden gegen einen Fonds wie im Westen, der Sachleistungen wie Therapien fördert. "Die Fondslösung ist eine Mogelpackung. Therapien sind eine Krankenkassen-Leistung", sagt Basler. Er fordert eine gesetzliche Grundlage für Entschädigungen. Norda Krauel will die Anerkennung von Unrecht, eine Rehabilitierung und finanzielle Hilfe.
    Die Lage in Ostdeutschland ist komplizierter als im Westen, wo es seit Januar 2012 einen geregelten Anspruch auf Entschädigung für ehemalige Heimkinder gibt. Im Osten erhielten Bewohner des ehemaligen geschlossenen Jugendwerkhofes Torgau und alle Opfer, die politische Motive für ihre Qual nachweisen konnten, bereits nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) eine Entschädigung. Andere gingen bei ähnlicher Pein leer aus. "Als gebe es Opfer erster, zweiter und dritter Klasse", kritisiert Lutz Adler, Vorsitzender ehemaliger Heimkinder in Hessen. Er will die Betroffenen im Osten unterstützen - und warnt sie vor einer Fondslösung.
    Anwendung des Rehabilitierungsgesetzes
    Peter Schruth, Ombudsmann für westdeutsche und ostdeutsche ehemalige Heimkinder, sieht die Krux in der rechtlichen Lage. "Es wird kein systematisches Unrecht anerkannt", sagt er. Deshalb könne eine Entschädigung aus einem Fonds nur Folgeschäden berücksichtigen. Günstiger für ostdeutsche Betroffene wäre es, wenn das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das Ende 2010 weiter geöffnet worden sei, angewendet würde. Denn damit kann es eine monatliche Opferrente von 250 Euro geben. Käme ein Fonds für den Osten, müssten Antragsteller wahrscheinlich auf solche Ansprüche verzichten. Das schürt Misstrauen.


    Die Rehabilitation müsse so angelegt sein, dass jedes Opfer das bekomme, was es brauche, sagt Heidemarie Puls, Opferbeiratsmitglied aus Torgau. Denn viele ehemalige Heimkinder hätten durch körperliche oder psychische Schäden in ihrem späteren Leben kaum arbeiten können.


    Quelle : n-tv

    DDR-Vergangenheit
    Entschädigungen für ehemalige Heimkinder
    erstellt 23.01.12, 07:35h
    BERLIN/DPA. Eine geregelte Entschädigung für Männer und Frauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg Demütigungen und Misshandlungen in Heimen erlebten, gibt es seit dem 1. Januar 2012. Allerdings gilt der mit 120 Millionen Euro gefüllte Fonds, der auf Antrag Sachleistungen wie Therapien, Gesundheitsförderung oder altersgerechten Wohnungsumbau unterstützt, bisher nur für die Jahre 1949 und 1975 in Westdeutschland.


    Für Ostdeutschland soll bis Ende des Jahres eine Entschädigungsregelung gefunden werden. Angedacht ist ein Fonds mit zusätzlich 40 Millionen Euro. Kritiker an solchen Fondslösungen gibt es sowohl in west- als auch in ostdeutschen Opferverbänden.


    Nach Schätzungen gab es in Westeutschland rund 800 000 Heimkinder, im Osten rund 120 000. Gerechnet wird mit Entschädigungs-Ansprüchen von mehr als 30 000 Betroffenen.


    Die Lösung für Westdeutschland geht auf die Initiative westdeutscher ehemaliger Heimkinder zurück, die sich 2006 an den Petitionsausschuss des Bundestages wandten. Sie forderten eine Entschädigung für menschenunwürdige Erziehungsmethoden, unter anderem entwürdigende Bestrafungen, willkürliches Einsperren, körperliche und sexuelle Gewalt sowie vollständige Entmündigung. Für den Fonds stellten der Bund, die westdeutschen Bundesländer und die Kirchen jeweils 40 Millionen Euro bereit.


    Im Bundestags-Beschluss heißt es als Ergebnis, dass die Heimerziehung von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik und in der DDR vielfältig war. Es habe fürsorgliche Behandlung gegeben, aber auch Heime, in denen systematisch Leid und Unrecht zugefügt worden sei. Eine pauschale Entschädigung wurde vom Bundestag verworfen, weil die damalige westdeutsche Heimerziehung nicht generell als Unrecht einzustufen sei. Im Osten ist die Diskussion über Entschädigungsmodalitäten noch in vollem Gang.


    Quelle : mz-web.de

    3. > Ich gehe wählen, mach den Wahlzettel ungültig<


    - in dem ich den Zettel mit einem grossen / Strich über die ganze Seite ungültig mache. Wenn das zich tausende Bürger machen würden, dann erst käme Bewegung in den Sumpf von Lügen, Korruption, Intrigen, Ausbeutung. Es wäre eine Wahlbeteiligung mit ungültiger Stimme und das von hunderttausenden, das würde ein Zeichen setzen!!!!!!!!!!!!!



    Hallo zicke,das ist eine klasse Idee. :thumbup: Liebe Grüße Micky

    DDR-Heimkinder ringen um Entschädigung
    VON SYBILLE GURACK UND ULRIKE VON LESZCZYNSKI, 23.01.12, 07:33h, aktualisiert 23.01.12, 07:34h



    Norda Krauel zeigt eine Zeichnung von Brigk Münchehofe, der als Kind auch im Durchgangsheim in Bad Freienwalde war, aufgenommen am 18.01.2012. (FOTO: PATRICK PLEUL DPA)


    BERLIN/DPA. Sie waren allein im Dunklen eingesperrt, bekamen Prügel oder durften nicht miteinander sprechen. Es gab drakonische Strafen und den Zwang zur Akkordarbeit. Was Jungen und Mädchen in DDR-Heimen und Jugendwerkhöfen erlebten, hat viele von ihnen für ihr Leben gezeichnet. Nun ist eine Entschädigungsregelung in Arbeit, die sich am neuen Fonds für ehemalige Heimkinder aus Westdeutschland orientieren soll. 40 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Doch eine West-Kopie mit Verzichtserklärung und reinen Sachleistungen wollen viele ostdeutsche Betroffene nicht. Sie fordern eine andere Form der Entschädigung - zum Beispiel Monatsrenten in Höhe von 300 Euro.


    Rund 120 000 Kinder und Jugendliche haben nach Schätzungen in der DDR in Heimen gelebt. Nicht alle haben Demütigungen erfahren. Viele aber berichten von körperlichen und seelischen Qualen, die sie bis heute verfolgen. Norda Krauel aus Brandenburg wurde von ihrem Onkel sexuell missbraucht und lief von zu Hause weg. Mit 16 kam sie in ein Heim. Das warf einen Schatten über ihr ganzes Leben. «Die Schlampe aus dem Jugendwerkhof ist da!» - so wurde sie mit 18 Jahren in einem volkseigenen Betrieb in Halle vorgestellt. Der Stempel vom Jugendwerkhof im Sozialversicherungsausweis habe wie ein Stoppschild für jede weitere Lebensplanung gewirkt, sagt sie heute.


    Robby Basler, Mitglied der Selbsthilfeorganisation ehemaliger Heimkinder (DEMO) in Brandenburg, verweigerte als Teenager den Staatsbürgerkundeunterricht in der Schule. Als Strafe kam er für zwei Jahre in einen Jugendwerkhof. Heute klagt er beim Europäischen Gerichtshof gegen seine Peiniger.


    Krauel und Baseler wenden sich entschieden gegen einen Fonds wie im Westen, der Sachleistungen wie Therapien fördert. «Die Fondslösung ist eine Mogelpackung. Therapien sind eine Krankenkassen-Leistung», sagt Basler. Er fordert eine gesetzliche Grundlage für Entschädigungen. Norda Krauel will die Anerkennung von Unrecht, eine Rehabilitierung und finanzielle Hilfe.


    Die Lage in Ostdeutschland ist komplizierter als im Westen, wo es seit Januar 2012 einen geregelten Anspruch auf Entschädigung für ehemalige Heimkinder gibt. Im Osten erhielten Bewohner des ehemaligen geschlossenen Jugendwerkhofes Torgau und alle Opfer, die politische Motive für ihre Qual nachweisen konnten, bereits nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) eine Entschädigung. Andere gingen bei ähnlicher Pein leer aus. «Als gebe es Opfer erster, zweiter und dritter Klasse», kritisiert Lutz Adler, Vorsitzender ehemaliger Heimkinder in Hessen. Er will die Betroffenen im Osten unterstützen - und warnt sie vor einer Fondslösung.


    Peter Schruth, Ombudsmann für westdeutsche und ostdeutsche ehemalige Heimkinder, sieht die Krux in der rechtlichen Lage. «Es wird kein systematisches Unrecht anerkannt», sagt er. Deshalb könne eine Entschädigung aus einem Fonds nur Folgeschäden berücksichtigen. Günstiger für ostdeutsche Betroffene wäre es, wenn das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das Ende 2010 weiter geöffnet worden sei, angewendet würde. Denn damit kann es eine monatliche Opferrente von 250 Euro geben. Käme ein Fonds für den Osten, müssten Antragsteller wahrscheinlich auf solche Ansprüche verzichten. Das schürt Misstrauen. Dazu kommt: Der Osten ist sich nicht einig.


    Wie unterschiedlich die Interessen der Opfer sind, zeigte sich jüngst beim zweiten Werkstattgespräch in Berlin unter Schruths Leitung. Zur Beratung war kaum mehr als ein Dutzend Betroffene geladen, die meisten hatten schon eine Entschädigung erhalten. Als Lutz Adler seine Kritik am Fonds vorbringen will, werden er und auch Robby Basler des Raumes verwiesen. Beide fühlten sich in Jugendwerkhof-Zeiten versetzt, als die Runde schließlich darüber abstimmte, ob sie am Mittagessen teilnehmen dürfen.


    «Im Westen setzten sich die Betroffenen an den Tisch und autorisierten sich selbst», sagt Ombudsmann Schruth. Dennoch sieht auch er Teile der westdeutschen Fondslösung kritisch. «Die Verzichtserklärung ist zynisch und für diese Opfergruppe ungeeignet», sagt er. Doch Klagen als mögliche Alternative haben für ehemalige Heimkinder wenig Sinn. Ihre Erlebnisse sind verjährt, viele Akten verschwunden, die Täter kaum mehr zu ermitteln.


    Die Rehabilitation müsse so angelegt sein, dass jedes Opfer das bekomme, was es brauche, sagt Heidemarie Puls, Opferbeiratsmitglied aus Torgau. Viele ehemalige Heimkinder hätten durch körperliche oder psychische Schäden kaum gearbeit.


    Hintergrund: Entschädigungen für ehemalige Heimkinder
    Archiv: DDR-Heimkinder sollen entschädigt werden


    Quelle : mz-web.de

    Zum Beispiel ein Kochbuch


    Ehemalige Heimkinder können seit Anfang des Jahres Anträge stellen, um Hilfeleistungen zu bekommen. Doch der »Fond Heim­erziehung« von Bund, Ländern und Kirchen steht in der Kritik.
    Noch herrscht vielerorts Chaos: Die regionalen Beratungsstellen für ehemalige Heimkinder öffnen im Januar, die meisten mehr oder wenig provisorisch. Zu Beginn des Jahres sollte ein vorzeigbares Ergebnis präsentiert werden, das die Vorschläge des »Runden Tisches Heimerziehung« umsetzt. Der Bund, die westdeutschen Länder und die Kirchen mit ihren Wohlfahrtsverbänden einigten sich schließlich auf die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 120 Millionen Euro. Ehemalige Heimkinder, die in westdeutschen Heimen misshandelt wurden, können nun Hilfeleistungen beantragen. 20 Millionen Euro stehen für den Ausgleich entgangener Rentenansprüche zur Verfügung, die übrigen 100 Millionen Euro für »Folgeschäden aus der Heimerziehung«.


    Schon dieser Ausdruck macht Dirk Friedrich vom »Verein ehemaliger Heimkinder« (VEH) wütend. »Das sind Almosen«, sagt er, »und so nennen wir das auch.« Der VEH boykottiert den Fonds und fordert stattdessen Entschädigungen in Höhe von 300 Euro monatlich oder eine Einmalzahlung von 54 000 Euro für die Betroffenen. Der Streit um die Aufarbeitung der Heimerziehung dauert seit Jahren an, der »Runde Tisch«, der ihn befrieden sollte, war wenig erfolgreich. In der Zeit von 1949 bis 1975 wurden 700 000 bis 800 000 Kinder und Jugendliche in Heimen untergebracht. Sie galten als »verwahrlost«, dieser unbestimmte Begriff konnte etwa »Bockigkeit«, »Schule schwänzen« oder »unsittliche Kleidung« meinen. Die meisten Heime befanden sich in kirchlicher Trägerschaft. Friedrich hat selbst 14 Jahre in Heimen verbracht, er ist der Sprecher und Vorstand des größten deutschen Betroffenenverbandes. Wenn er über das Thema spricht, holt ihn die Geschichte ein, seine eigene und die, die ihm andere ehemalige Heimkinder erzählt haben.


    »Man darf nicht vergessen, was das für eine Zeit war«, sagt Friedrich, »aber das entschuldigt nicht, wie man uns behandelt hat.« Es geht bei der Aufarbeitung der Heimerziehung nicht nur um die rigiden Moralvorstellungen der fünfziger und sechziger Jahre, nicht nur um Kopfnüsse und Ohrfeigen. »Wir wurden mit allem verprügelt, was greifbar war, so lange, bis Blut geflossen ist«, sagt Friedrich. Kinder wurden mit Einzelarrest oder Essensentzug bestraft, gedemütigt und in Heimen oder auf Bauernhöfen zu schwerer Arbeit gezwungen. Es gab Nonnen, die Kinder zwangen, ihr Erbrochenes zu essen. Es gab Ärzte, die Spritzen oder Stromschläge verabreichten, wenn Kinder das Bett nässten. Friedrich weiß von einer Person, die seitdem zeugungsunfähig ist. Etliche Kinder wurden sexuell missbraucht.


    In dem Streit um den Hilfsfonds geht es nicht nur um die Höhe der Summe. »Was wir erwartet haben, war eine Entschädigung, die auch im Sinne des Wortes eine ist«, sagt Friedrich. Tatsächlich sieht der Fonds ausdrücklich keine Entschädigungszahlung vor. Möglich sind lediglich Nachzahlungen auf das Rentenkonto und die Bewilligung von Sachleistungen. Dazu soll der »konkrete Bedarf« der Betroffenen in Gesprächen mit den regionalen Beratungsstellen ermittelt werden. Was das heißen soll, ist noch weitgehend unklar. Meist wird die Übernahme von Therapiekosten genannt, das gilt allerdings nur, wenn nicht ohnehin die Krankenkasse zahlt. Der Fonds soll solche Hilfsmaßnahmen ermöglichen, die von den Sozialleistungen nicht abgedeckt werden. Anna Maria Richter, Sprecherin der Beratungsstelle Bayern, bemüht sich, Beispiele dafür zu finden: »Wenn die Krankenkasse eine Kur bewilligt, dann können wir das begleiten, indem wir angemessene Kleidung bezahlen.« Auch die Aufarbeitung der Vergangenheit könne unterstützt werden, etwa die Suche nach Akten, indem Fahrt- und Kopierkosten übernommen werden. »Oder wenn es in den Heimen mangelhafte Ernährung gab und in Folge dessen jetzt ein schwieriges Verhältnis zur Ernährung besteht, könnte man eine Ernährungsberatung finanzieren oder ein Kochbuch«, so Richter. Sie betont, der Katalog sei bewusst weit gefasst, die Beispiele seien nicht abschließend: »Es soll wirklich auf den Einzelfall ankommen.«


    Doch gerade das ist für die Betroffenen ein Problem. Einen rechtsverbindlichen Anspruch auf Leistungen aus dem Fond gibt es nicht. Im Gegenteil: Wer Hilfsmaßnahmen erhält, muss eine Verzichtserklärung unterschreiben, in der er sich verpflichtet, auf sämtliche Forderungen gegen die Träger des Fonds zu verzichten. Der Rechtsanwalt Robert Nieporte, der etwa 400 ehemalige Heimkinder in unterschiedlichen Rechtsfragen vertritt, hält das für rechtswidrig: »Die Betroffenen bekommen aus dem Fonds ja gar kein Schmerzensgeld. Warum sollen sie also eine Verzichtserklärung unterschreiben und damit auf alle möglichen Ansprüche verzichten?« Der VEH hat nun Klagen angekündigt. »Der Staat hatte sowohl über das Grundgesetz wie auch unter anderem über das Jugendwohlfahrtsgesetz die Verpflichtung, die Kinder zu schützen, auch wenn er kirchlichen Heimen die Fürsorge übertragen hat«, sagt Nieporte. Doch die Schmerzensgeldansprüche dürften mittlerweile verjährt sein. Nieporte will erreichen, dass die Einzelfälle überprüft werden, er ist der Ansicht, dass die Verjährung bei posttraumatischen Belastungsstörungen der Betroffenen ausgesetzt werden muss. Ob er damit Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten.


    Dirk Friedrich ist entschlossen, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschrechte zu gehen. Doch nicht alle Betroffenen werden sich den unsicheren Gerichtsverfahren aussetzen wollen und nicht alle boykottieren den Fonds. In den ersten zwei Januarwochen haben sich zahlreiche ehemalige Heimkinder bei den Beratungsstellen gemeldet. Eines dürfte ihnen aber gemeinsam sein. Eine »Scheißangst«, wie Friedrich sagt, im Alter wieder in ein Heim zu kommen. »Das ist es, was wir wollen: Wir wollen, dass wir verdammt nochmal, so lange wie nur irgendwie möglich, eigenständig leben können und in Würde alt werden.«


    Quelle : Jungle World die linke Wochenzeitung

    Berliner Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder offiziell eröffnet
    Berlin (epd). Die Berliner Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder ist am Donnerstag offiziell eröffnet worden. Sie soll frühere Heimkinder auf der Basis des bundesweit eingerichteten Fonds unterstützen. Diese sollen dort unbürokratische Hilfe bekommen, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Zudem soll die Beratungsstelle zum Treffpunkt für Betroffene werden und die Aufarbeitung der Heim-Geschichte vorantreiben, ergänzte die Politikerin.


    Ehemalige Heimkinder können seit 1. Januar Anträge auf finanzielle Hilfen stellen. Der hierfür zur Verfügung stehende Fonds wurde vom Bund, den elf westdeutschen Bundesländern, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), den katholischen Bistümern, Caritas und Diakonie, sowie der Deutschen Ordensobernkonferenz eingerichtet. Insgesamt stehen 120 Millionen Euro zur Verfügung, die jeweils zu einem Drittel von Bund, Ländern und Kommunen sowie katholischer und evangelischer Kirche und deren Wohlfahrtsverbänden und den Orden aufgebracht werden.


    Mit dem Geld sollen ehemalige Heimkinder unterstützt werden, die spezielle Hilfen benötigen, weil sie bis heute unter den Folgen der Heimerziehung leiden. Mehr als die Hälfte der Heime befand sich in kirchlicher Trägerschaft. Die Einrichtung des Fonds war vom Runden Tisch Heimerziehung empfohlen und vom Bundestag und den Länderparlamenten beschlossen worden.


    Wie aus der Antwort der Senatsbildungsverwaltung auf eine Anfrage aus der Grünen-Fraktion hervorgeht, stehen der Beratungsstelle jährlich 100.000 Euro für Personal- und Sachausstattung zur Verfügung. Zusätzlich wird eine Fachkraft, die bisher in der Verwaltung mit dem Thema befasst ist, dort eingesetzt. Der Anteil Berlins am Fonds für Heimkinder beträgt insgesamt 1,1 Millionen Euro, wovon 2012 und 2013 jeweils 400.000 Euro eingezahlt werden sollen.


    Die Berliner Beratungsstelle soll auch ehemaligen Heimkindern aus der DDR offen stehen. Während der Verhandlungen am Runden Tisch kritisierten Opfer der meist repressiven DDR-Heimerziehung, dass ihr Schicksal vergessen werde. Über ihre Entschädigung soll bis zum Sommer eine Regelung gefunden werden.


    epd ost co bue


    Quelle : epd

    Ehemalige Heimkinder zwischen Wut und Verzweiflung


    Berlin (MOZ) Marianne Döring soll ein paar Worte zur Eröffnung der Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder an das Publikum richten, doch dann bricht es aus ihr heraus: Sie berichtet über ihre Jugend, die von Verzweiflung und Demütigungen geprägt war. Als die Mutter starb, kam sie mit acht Jahren in ein katholisches Heim. "Diese Zeit dort hat mein Leben kaputt gemacht."


    Die heute 70-Jährige erzählt von Misshandlungen und großer Gefühlskälte bei den Erziehern. Sie sei über Jahre eingesperrt gewesen und habe acht Suizidversuche unternommen. "Ich schlief in einem Raum mit 20 anderen Mädchen. Wir durften keine Freundschaften bilden, nicht eigenständig auf Toilette gehen und bekamen rationiertes Essen", sagt sie. Das Schlimmste aus ihrer Sicht: Niemand habe ihr damals zugehört.


    Erst als junge Frau konnte sie das Heim verlassen und eine Familie gründen. "Es war eine Befreiung, danach hat mein Leben überhaupt einen Sinn bekommen", berichtet sie. Sie suchte sich Jobs im sozialen Bereich, wollte anderen Benachteiligten helfen. Doch die Folgen der Heimzeit zehren bis heute an ihren Kräften. Und die größte Wut empfindet sie gegen die schleppende Aufarbeitung der menschenunwürdigen Zustände in Heimen in den ersten Jahrzehnten nach dem Kriegsende.


    Mit der gestern in Friedenau eröffneten Beratungsstelle des Senats verbinden Betroffene wenig Hoffnung, für psychische und physische Misshandlungen entschädigt zu werden. Nach Angaben des Erziehungswissenschaftlers Manfred Kappeler erlebten allein 30000 Kinder und Jugendliche in Westberliner Einrichtungen großes Unrecht, 12000 in Ostberliner Heimen. "Schlimm ist, dass die Verhältnisse damals bekannt waren, aber der politische Wille fehlte etwas zu ändern", betont er. Die Vorgänge seien ein "dunkles Kapitel in der deutschen Geschichte."


    Die Betroffenen kritisieren vor allem, dass zur Wiedergutmachung seit Januar ausschließlich Sachleistungen, aber keine Opferrenten bewilligt werden sollen. In einem bundesweiten Fonds - vorerst für ehemalige Heimkinder aus Westdeutschland - stehen 120 Millionen Euro zur Verfügung. "Die Entschädigungslösung ist absolut enttäuschend", sagt Peter Schruth, der als Experte am Runden Tisch des Bundestages zur Aufarbeitung saß. Das Geld reiche nicht aus. Denn nach seinen Schätzungen haben mehr als 800000 Kinder in beiden deutschen Staaten in Heimen gelebt. Hinzu komme eine "zynische" Verzichtserklärung, die von Antragstellern unterzeichnet werden müsse.


    "Mit dem Fonds werden wir erneut gedemütigt", sagt Liane Mueller-Knuth, die Jahre in einem Heim in Birkenwerder (Oberhavel) lebte. Sie brauche in ihrem hohen Alter keine finanzielle Unterstützung für eine Psychotherapie, die hätte sie viel früher benötigt. "Ich fordere eine Entschädigung, die mein Leben einmal schöner macht."


    Viele Betroffene bekamen damals kaum Bildungschancen. Später blieben ihnen oft nur Billigjobs. "Wir erleben gebrochene, sozial isolierte Menschen", sagt Traumaberaterin Daniela Gerstner. Viele empfinden großes Misstrauen gegenüber Behörden. "Sie werden nicht zur Beratung kommen."


    Quelle : Märkische Oderzeitung

    Misshandlung
    Heimkinder lehnen Entschädigungsfonds ab
    Donnerstag, 19. Januar 2012 14:44


    Bei vielen ehemaligen Heimkindern in Berlin stößt der neue Entschädigungsfonds auf herbe Kritik. Nun wurde eine Beratungsstelle in der Hauptstadt eröffnet.


    Prügel, drakonische Strafen und Missbrauch: Was in einigen Kinderheimen früher an Unrecht geschah, ist für Berlins Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) heute unfassbar. „Das macht mich traurig und betroffen“, sagt sie. Seit Januar will ein 120-Millionen-Euro-Fonds - aufgelegt von Bund, Ländern und Kirchen - späte Wiedergutmachung leisten, zunächst in Westdeutschland. Eine Entschädigungslösung für den Osten soll bis Ende des Jahres gefunden werden.


    Das Problem ist nur: Viele Betroffene aus dem Westen lehnen den Entschädigungsfonds ab, weil sie bei einem Antrag eine Verzichtserklärung auf weitere Entschädigung unterschreiben müssen. Und der Osten will keine westdeutsche Fonds-Kopie.


    So herrschte bei der Eröffnung der Berliner Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder am Donnerstag im Stadtteil Friedenau keine pure Freude vor. Während Scheeres für Sachleistungen des Fonds wie Therapien und Gesundheitsmaßnahmen warb, fühlte sich Liane Müller-Knuth als Betroffene erneut gedemütigt. „Ich will keine Stützstrümpfe und keinen Rollstuhl“, sagt die Berliner Seniorin. „Ich will eine Entschädigung, die ihren Namen verdient.“


    In Zahlen heißt das: 300 Euro Opferrente im Monat oder 56.000 Einmalzahlung. Der Fonds aber sehe maximal 10.000 Euro pro Person in Sachwerten vor.


    Berlin muss sich nach dem Länderschlüssel mit rund 1,1 Millionen Euro an den Fondsmitteln von 120 Millionen Euro beteiligen. Das geht aus einer Antwort von Jugend-Staatssekretärin Sigrid Klebba auf eine Parlamentarische Anfrage der Grünen hervor. Für 2012 und 2013 seien jeweils 400.000 Euro im Haushalt eingeplant. Ferner erhalte die Berliner Anlaufstelle im Jahr rund 100.000 Euro für Personal- und Sachmittel, hieß es.
    "Viele von uns sind zu alt für Therapien"


    Marianne Döring (70) schätzt die neue Beratungsstelle zwar als Treffpunkt für Betroffene. Doch auch sie will erst einmal keinen Antrag an den Fonds stellen. „Viele von uns sind zu alt für Therapien. Wir wollen unser Leben jetzt selbst regeln. Wir brauchen Geld für eine große Reha oder einen vernünftiger Urlaub“, sagt sie. „Das können sich viele von uns aber nicht leisten.“


    Auch dass von den 120 Millionen Euro aus dem Fonds bereits 12 Millionen für Beratungsstellen bundesweit abgezweigt wurden, finden viele ehemalige Heimkinder nicht in Ordnung. Das Geld stehe ihnen zu, nicht einer Verwaltung.


    und 800.000 Männer und Frauen in Westdeutschland und rund 120.000 in Ostdeutschland haben nach Schätzungen früher in Heimen gelebt. Längst nicht alle von ihnen haben Demütigungen und Leid erlebt - andere dafür umso mehr. Es waren nicht nur körperliche und seelische Qualen. Viele wurden auch als billige Arbeitskräfte missbraucht und bekamen kaum Bildungschancen. Später blieben ihnen deshalb oft nur Billigjobs - und heute Mini-Renten oder Hartz-IV.


    Rund 20.000 bis 30.000 ehemalige Heimkinder könnten Anträge an den Fonds stellen, schätzt ihr Ombudsmann Peter Schruth. Doch auch ihn stört die Verzichtserklärung. „Das war von den Errichtern des Fonds als Befriedungsfunktion gedacht. Aber das Gegenteil ist eingetreten“, sagt er. Schruth beurteilt den Verzicht auf weitere Entschädigungen vor der Prüfung von Anträgen „zynisch und für diese Opfergruppe ungeeignet“.


    Im Osten regt sich bei Betroffenen bereits breiter Widerstand gegen eine Fondslösung wie im Westen. Dafür sind laut Schruth 40 Millionen Euro angedacht. Der Osten aber könne vom strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, das 250 Euro Opferrente im Monat vorsieht, mehr profitieren, erläuterte Schruth. Lange sei das Gesetz nur für Stasi-Opfer und Betroffene aus dem Jugendwerkhof Torgau gedacht gewesen. Nun sei der Kreis der Anspruchsberechtigten größer geworden. Setzte sich diese Lösung durch, könnte das wiederum Auswirkungen auf die Höhe der Entschädigungen in Westdeutschland haben, sagt Schruth.


    Quelle : Berliner Morgenpost

    Hallo zusammen,folgendes Gedicht eines ehem.Heimkindes möchte ich Euch nicht vorenthalten.


    Verzichtserklärung
    Wir sollen verzichten, verzichten, verzichten.
    So wollen es Kirche und Staat!
    Und abermals wollen sie über uns richten.
    Das klingt wie Hohn, wie Spott und nach Verrat.


    Kindheit und Jugend wurde' uns gestohlen,
    Wir waren rechtlos im Staat der Rechte.
    Sie taten es ganz unverhohlen,
    Und hielten uns für ihre Knechte.


    Entschädigung ist nicht angesagt,
    Nur Almosen sollen wir bekommen.
    Und wem das alles nicht behagt,
    Sei eine Klage unbenommen.


    So geht viel Zeit über das Land,
    und weiter werden Sie über uns richten,
    mit ihrer starken Pranke von Hand,
    bis unsere Reihen sich lichten.


    An euren Taten werden wir euch messen,
    Ihr sollt euch schämen, ihr Ungeheuer.
    Wir lassen uns nicht mehr erpressen,
    Noch lodert in uns ein stetig Feuer!


    von Manfred Zielke