DIE WELT - 21.02.2013 @ http://www.welt.de/politik/aus…klavinnen-verdienten.html
ZWANGSARBEIT
Wie Irlands Nonnen an ihren Sklavinnen verdienten
Abbitte für eine dunkle Vergangenheit: Irland nimmt endlich Kenntnis von Tausenden Frauen, die im 20. Jahrhundert die schmutzige Wäsche der Gesellschaft wuschen. Jetzt werden sie entschädigt.
Von Martin Alioth
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[ … ] Mit 13 Jahren wurde das Mädchen aus Kilkenny nach Dublin verfrachtet, [ … ]
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[ … ] Als sie in Dublin ankam, besaß sie außer ihren Kleidern gerade mal einen Schreibstift und einen Block, um Briefe nach Hause schreiben zu können. Die wurden ihr gleich weggenommen.
Vom ersten Tag an musste sie in der kommerziellen Wäscherei der "Schwestern der Barmherzigkeit" schuften, ohne Bezahlung. Hotels und Krankenhäuser schickten ihre Bettwäsche und ihre Tischtücher, an denen sich die Kinder ihre Finger verbrannten. Drei Jahre lang verbrachte Julie in dieser Hölle. [ … ]
Riesiger Entschädigungsfonds eingerichtet
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Der frühere irische Premierminister, Bertie Ahern, hatte sich schon 1999 für den Missbrauch in kirchlichen Institutionen entschuldigt, dessen Ausmaß zehn Jahre später im sogenannten Ryan-Bericht in allen abscheulichen Einzelheiten dokumentiert wurde: Zehntausende von Kindern waren im 20. Jahrhundert in kirchlich geführten Arbeitsheimen, Waisenhäusern und Behindertenheimen gequält und ausgebeutet worden.
Für sie wurde ein riesiger Entschädigungsfonds eingerichtet, der inzwischen die Milliardengrenze überschritten hat. Doch die Mädchen und Frauen, die in die "Magdalen laundries" gesperrt wurden, ein Dutzend kommerzielle Wäschereien unter der Leitung von katholischen Nonnen, wurden ausgeschlossen. Das seien "private Unternehmungen" gewesen, mit denen der Staat nichts zu tun gehabt habe. Das behaupteten irische Minister bis vor kurzem.
Staat war Komplize dieses Systems
Erst als der UN-Ausschuss gegen Folter 2011 die irische Regierung aufforderte, Nachforschungen anzustellen, war der Druck, das verlogene Schweigen zu zertrümmern, groß genug. Die irische Regierung beauftragte [ … ]
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Mit Verachtung "gefallene Mädchen" genannt
"Die Nonnen raubten mir mein Leben und das Leben, das ich anderen hätte schenken können", schreibt die inzwischen 78-jährige Kathleen Legg [ … ]
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Das Kind wurde [… ]. Es wurde in eine Uniform gesteckt, erhielt einen erfundenen Namen und die Nummer 27. "Ich war immer hungrig und am Rande des Verhungerns."
Derweil verdienten die Nonnen gutes Geld mit ihren Sklavinnen. [ … ]
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"Grausames, erbarmungsloses Irland"
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[ … ] über 10.000 Frauen ohne Schuld – ja, oftmals ohne überhaupt zu wissen, weshalb – zwischen 1922 und 1996 (sic) eingekerkert worden waren.
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[ Irische Regierung ] sprach von einem "grausamen, erbarmungslosen Irland", das diese Frauen versklavt habe.
Stehender Applaus für Kennys Rede
"Diese Werte, dieses Versagen, diese Fehler waren kennzeichnend für das magdalenische Irland", stellte er fest. Das klang bedeutsam und passte zum Rest seiner nachdenklichen Rede. Die Qualen dieser Frauen wurden zum Erkennungszeichens eines Systems, das Kirche und Staat gemeinsam aufgebaut hatten, um Dissens, Armut und Übermut einzusperren.
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Emanzipation von den Fesseln der Vergangenheit
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[ … ] Die Regierung, die sonst um jeden Pfennig feilscht, gibt sich großzügig.
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[ … ] Irlands Emanzipation von den Fesseln einer unappetitlichen Vergangenheit verläuft schrittweise. [ … ]
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Drei Verschwörer – Kirche, Staat, Gesellschaft
Es war, das wird immer klarer, ein Komplott unter drei Verschwörern: die Kirche lieferte die zweifelhafte Ethik, der Staat stellte seine Zwangsmittel willfährig zur Verfügung, die Gesellschaft schwieg, obwohl sie alles wusste. Den Preis bezahlte die ohnmächtige Unterschicht, die ihre Töchter und Söhne verriet.
Der Profiteur dieser irischen Konformitäts-Neurose, die alles Andersartige rücksichtlos einsperrte, war der irische Mittelstand, der die Zügel nahtlos von der britischen Kolonialmacht übernommen hatte.
Die Katharsis, der schamvolle Rückblick in die eigene Vergangenheit, ist schon weit gediehen. Noch fehlen allerdings Angaben über die Praxis in den Irrenhäusern, wo die Missliebigen, die zu alt für die "Industrial Schools" waren und das falsche Geschlecht für die Wäschereien hatten, ebenfalls eingekerkert wurden.
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