Utrecht, NL, Samstag, 3. Dezember 2011, um 01:07 Uhr
Sehr geehrter Herr Mitchell
Seit vielen Monaten (genau seit dem 24.09.2009) lese ich Ihre Mails, die Sie – u.a. – meinem Vater, Felix-Werner Winnig, zusenden. Durch Ihre unermüdliche Arbeit habe ich, als auch meine Geschwister, verstehen gelernt.
Dafür danken wir Ihnen herzlich und dürfen Ihnen unseren Respekt entgegenbringen !
Michelle-Marisel Winnig, 17 Jahre, angehende Studentin, Utrecht, NL
sowie für die Kinder von Felix-Werner Winnig:
Michael Winnig-Boehr, Landwirt, Enstancia Familia Winnig, Gran Chaco, PY
Dr. med. Yvonne Winnig, Ärztin, Fundación Guaraní, Gran Chaco, BR
Arlette Winnig, Flugzeugmechanikerin CPL, Curitiba, BR
Rosemarie Winnig, Psychologin M.Sc., Saverne, F
Felicitas-Manduella y Roberto-Felix de Roca-Winnig, Santa Cruz de la Sierra, BO
Monique Winnig, Ärztin, Hamburg, DE
Sehr geehrter Herr Mitchell, Sie schreiben:
Darf Staat und Kirche die Heimopfer nötigen, eine Verzichtserklärung zum Nachteil ihrer berechtigten Ansprüche zu unterschreiben ?
Ohne Einbeziehung moralischer Bedenken, (die sie – Kirche allgemein – zwar ihren Schäfchen proklamiert; für sich jedoch nur opportunistisch je nach Zweck und Eigennutz anwendet), ist diese Frage zu bejahen ! Die Antwort ist sehr simpel: Solange in Deutschland der Laizismus noch immer nicht in der Form durchgesetzt wird, wie es diese Verfassung zwingend vorschreibt, so lange werden beide Kirchen sich an ihren Machtpositionen – schon allein aus existenziellen Gründen – klammern, auch auf die Gefahr, daß erwachende und erkennende "Schäfchen" den Stall verlassen. Die Reaktionen der Kirchenfürsten ist für mich zunehmend erkennbar: "...nach mir die Sintflut !..."
Nun, genug Kapital bis zur Sintflut ist ja noch vorhanden, und daß Kirche verzweifelt daran festhält, ist – u.a. – an den Mitgliedern mit "Kirchenhintergrund" des RTH abzulesen.
Aus gleichen opportunistischen Motiven verzichtet der Staat dieser Republik auf ein nachhaltiges Kontroll- resp. Sanktionssystem, wie es in der französichen Verfassung verankert ist. Somit sind die Grenzen in der Trennung zwischen Staat und Kirche in Deutschland säkular verwischt.
Hierzu zitiere ich hier einen Auszug aus einem Artikel der in Paris erscheinende Zeitschrift Europe et Laïcité. (MIZ 1/84):
"...Nach 1945, als das Kriegsende uns vom Nationalsozialismus befreite, waren die Großkirchen die einzigen Organisationen, die intakt geblieben waren. Sie nützten diese Position rücksichtslos aus und spielten sich als die eigentlichen Gegner des deutschen Faschismus auf, obwohl sie ihr gerüttelt Maß Schuld an der Machtergreifung Hitlers hatten. Auf jeden Fall wurden sie entsprechend von den Besatzungsmächten unterstützt. Als sich die Parteienlandschaft zum Aufbau eines demokratischen Staates zu bilden begann, schufen sie sich in der Christlich-Demokratischen Union (CDU), in Bayern in der Christlich-Sozialen Union (CSU), kirchentreue Parteien, in die auch die Protestanten einbezogen wurden, obwohl die katholische Mehrheit diese ständig an die Wand drückte. Es war eine Vorwegnahme der Okumene nach päpstlichem Geschmack. Die Kirchen schickten ihre Leute aber auch in die Sozialdemokratische Partei, die später unter Verleugnung ihrer geistigen und politischen Herkunft im Godesberger Programm eine Partnerschaft mit den Kirchen proklamierte..."
Wie abgebrüht Kirche und Staat heute nicht einmal ihr koordiniertes Handeln verheimlichen, sieht man an der Person Antje Vollmer, die vom "Bock zum Gärtner" gemacht auftragsgemäß allen Schaden von Kirche und Staat abgewendet hat.
Die "Verdienstoptimierung" in Höhe von 5.000,00 EUR in Verbindung mit dem "Hans-Ehrenberg-Preis" war für die im Hintergrund an den Fäden ziehenden ewig Gestrigen für mich ein bewußtes, vorsätzliches Verhöhnen der Opfer, allein schon, um an den Opfern ein Exempel zu statuieren.
Demokratisches Gedankengut, wenn überhaupt noch in der deutschen,
politischen Landschaft vorhanden, ist wieder einmal in einem riesigen Massengrab beerdigt worden. Auch hier wird alte, klerikale Tradition hoch gehalten !
Zu meiner Person, Herr Mitchell.
Ich/wir haben einen wunderbaren Vater ! Wir haben ein besonderes Verhältnis, denn seit meinem 3. Lebensmonat hat sich mein Vater ausschließlich allein um mich gekümmert. Hat mich vor Unheil bewahrt, mich das Leben gelehrt und die Welt gezeigt.
Es gab nie ein böses Wort und – wenn überhaupt – eine sehr lange, mir nicht bemerkbare lange Leine.
Meine Erziehung war nur der Hinweis auf den Unterschied von Gut und Böse.
Natürlich bin ich das, was ich heute bin, durch sein vorbildhaftes Verhalten, nach dem ich mich orientieren konnte und immer orientieren werde, solange unser Vater noch bei uns sein darf.
Schon früh ist mir sein besonderer Gerechtigkeitssinn aufgefallen. – Heute ist es mir sehr bewußt, warum.
Die Erkenntnis, in welchem Ausmaß unser Vater als vierzehnjähriger junger Mensch gedemütigt und gequält wurde, hat mich als auch meine Geschwister nachhaltig verändert.
Aufgewachsen hinsichtlich der evangelischen Glaubenslehre ließ uns unser Vater unsere eigene Meinung bilden, die nie von seinen entsetzlichen Erfahrungen beeinflußt wurde.
Heute haben wir uns unsere Meinung bilden können.
Wir/ich unterscheiden zwischen dem Glauben nach Luthers Lehre und dem, was sich heute "Kirche" nennt.
In den letzten zwei Jahren habe ich meinem Vater bei seinen Recherchen unterstützen dürfen. Dabei habe ich aus wachsendem Eigeninteresse die Historie der evangelischen Kirche studiert. Es ist müßig, all die Verbrechen aufzuzählen, deren die Kirche seit dem dreißigjährigen Krieg bis heute sich schuldig gemacht hat.
Das die gleiche Kirche, die für sich den Anspruch erhob, aus mir eine gute Christin zu formen, sich in vielen Teilen als verbrecherische Organisation darstellte, die gleiche Kirche – es gibt unzählige gerichtsverwertbare Beweise – auch für den deutschlandweiten, systematischen Terror an Kindern und Jugendlichen verantwortlich ist !
Die gleiche Kirche, unter der mein Vater – wie so viele – so sehr gelitten hat.
Und Mitglieder dieser Nachfolgeorganisation Kirche – für mich inzwischen eine kriminelle Vereinigung – wagen es, meinen Vater erneut zu demütigen, einer erneuten inneren Qual auszusetzen durch ihre Diffamierung, Lügen und Arroganz.
Wie abgebrüht muß ein Mensch wie Pastor Thomas Wessel sein, sollte er einmal seinen Kindern gegenüber die Erklärung verteidigen, daß er es war, der die Forderungen der ehemaligen Kinderzwangsarbeiter als absurd bezeichnete ?
Wie ist die Auffassung von Antje Vollmer zu bewerten, wenn diese aus Täter Opfer stilisierte, und die zu damaliger Zeit angewandten Erziehungsmethoden als "zeitgemäß" verharmlost ?
Ist die Tatsache, daß A. Vollmer jahrelang in der Organisation Bethel – die verantwortlich für die Ausbeutung der ehemaligen Zwangsarbeiterheimkinder zeichnet – in führender Position gearbeitet hat, nicht Beweis genug für alle Verdachtmomente ? – Oder hat sie von dem Zwangsarbeiterlager, der Anstalt Bethel-Freistatt, in dem mein Vater von Ihresgleichen jahrelang ohne richterlichen Beschluß gefangen gehalten wurde, nichts gewußt ?
Es ist an der Zeit, daß wir Kinder und Kindeskinder dafür Sorge tragen, daß unsere – durch solche verabscheuungswürdige Mitmenschen – weiter gedemütigten Eltern und Großeltern beschützt werden.
Ich richte daher meinen Apell an die junge Generation, deren Eltern geschunden wurden. Laß uns zusammenfinden, um aufzuzeigen, daß alle per dato erfolgten klerikale Entschuldigungen als nichts anderes anzusehen sind als erneute Demütigungen an denen, die wir lieben !
Schließt Euch an, damit auch wir – wie in dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 2 beschrieben – die Teufel aus dem Tempel jagen können.
Irgendwann werden die Klerikalen bemerken, daß sie – gefangen
in den Spinnweben ihrer eigenen Unzulänglichkeit – sehr allein stehen.
Ihre Häuser sind es schon...........
Ich bin davon überzeugt, daß schon jetzt die Verwaltungsverfügungen mit Hürden versehen werden, daß die damit verbundene Rechtsunsicherheit viele der noch lebenden Opfer davon abhalten wird, ihre Ansprüche anzumelden.
Ich plädiere dafür, daß wir Kinder und Enkel der Opfer vor den "Kontaktstellen" beständige Mahnwachen installieren, um anstehende Antragsteller auf die Rechtsfolgen aufzuklären, wenn diese die Verzichtserklärung unterschreiben würden.
Außerdem sehen wir uns als mitverantwortlich dafür, daß nichts vergessen wird.
Dafür und für meinen Vater werde ich mein Studium gern um zwei Jahre oder mehr verschieben.
Herzliche Grüsse nach Australien.
Ihre Michelle-Marisel Winnig
NB.:
Einen – für die Kirche jedoch kontraproduktiven – Effekt hat das unwürdige Schauspiel vom 22.11.2011 schon:
Im Internet steht ein schon vorformuliertes Kirchen-austrittsformular zur gefälligen Nutzung und es wird regen Gebrauch davon gemacht.