Heimfolgenschäden
Geschrieben von pethens
Mittwoch, 13. Juli 2011
Am Abend des 7. Juli 2011 hat der Deutsche Bundestag eine Entschädigung für Heimkinder "zugunsten einzelner Betroffener" (Drucksache 17/6143, Seite 4) auf den Weg gebracht. Die Entschädigung ist an bestehende Folgen gebunden. Der Nachweis einer Rechtsverletzung, und hier zeigt sich das Folgenmodell vor allem als Täterschutz, soll nicht notwendig sein. Der Nachweis eines Heimaufenthaltes soll ausreichen. Dies ist die Minimalvoraussetzung, um überhaupt einen Antrag auf Entschädigung bzw. Therapie stellen zu können.
Welche bestehenden Schäden können gelten gemacht werden? Der Runde Tisch Heimerziehung hat "Folgen des Heimaufenthaltes" anhand der Expertise "Was hilft ehemaligen Heimkindern bei der Bewältigung ihrer komplexen Traumatisierung?" in seinem Abschlussbericht, Seite 26-29, beschrieben. Bestehende Ängste, Bindungsunfähigkeit, Gefühle der Unsicherheit, Schlafstörungen und ähnliches werden aufgelistet. Es seien Folgen einer frühkindlichen Traumatisierung, die sich im späteren Leben als Posttraumatische Belastungsstörung bemerkbar mache. Das ein Heimaufenthalt solche bis heute andauernde Folgen haben kann, scheint wissenschaftlich gesichert. Sind sie aber ausschließlich einem Heimaufenthalt zuzuschreiben? Wohl kaum. Und hier beginnt das Problem.
Erbringen Sie bitte den Nachweis, daß Ihre posttraumatische Störung durch den Heimaufenthalt verursacht ist und nicht etwa durch die Verwahrlosung in Ihrer Familie! Ihr Antrag musste abgelehnt werden, da Sie den Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges Ihrer posttraumatischen Störung mit dem Heimaufenthalt nicht erbracht haben. Fiktion oder realistische Einschätzung? Wohl letzteres, denn die Politiker haben vorgebaut.
So führte Norbert Geis in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 7. Juli 2011 aus, daß die Kinder und Jugendliche, die ins Heim kamen, oft "Verwahrlosungszuständen" aufgewiesen haben und oft "schwererziehbar" gewesen seien. Die Familie konnte ihre Erziehung nicht gewährleisten. Posttraumatische Belastungsstörung als Folge der Heimerziehung oder der Verwahrlosung in der Familie? Wie und in welchen Fällen kann man diese Alternative ausschließen? Vielleicht bei Säuglingen? Schwierig, denn auch hier liegen Argumentationsstrukturen parat. So führte eine Generaloberin eines Frauenordens 1963 in einem Vortrag aus: "Da sind Kinder - und dafür reichen die Plätze nie - die unehelich geboren sind, die tief die Spuren der in Leidenschaft und Rausch erfolgten Zeugung an Leib und Seele an sich tragen". Vielleicht würde man das heute nicht mehr so ausdrücken und eher von genetischen Defekten sprechen. Also eine weitere Alternative für eine Ablehnung? Wer weiß, in ein paar Wochen werden wir klüger sein!
Bundestagsdebatte ( 7.7.2011) zu dem Thema; "Unrecht an Heimkinder in den 50er und 60er Jahren".
1 Norbert Geis, CDU/CSU
youtube.com/watch?v=vJP4gDt9I1E
vJP4gDt9I1E
2. Marlene Rupprecht, SPD
youtube.com/watch?v=S5OCJWGRXNk
S5OCJWGRXNk
3. Sibylle Laurischk, FDP
youtube.com/watch?v=vkoI-uP_HzA
vkoI-uP_HzA
4. Jörn Wunderlich, Die LINKE
youtube.com/watch?v=yK0p7jSmOew
yK0p7jSmOew
5. Josef Winkler, B90/Grüne
youtube.com/watch?v=y8iEzYXAHBY
y8iEzYXAHBY
6. Manfred Kolbe, CDU
youtube.com/watch?v=ah1czZmMA_k
ah1czZmMA_k
Letzte Aktualisierung ( Mittwoch, 13. Juli 2011 )