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Hier ein längerer Bericht von Peter Henselder, TV-Journalist von TOP TV BERLIN, Derjenige aus Berlin, der uns schon zuvor kurz darüber berichtet hatte – ( siehe Beitrag 34 ) – was sich da am Montag 27.06.2011 im Reichstag abspielte
Längerer Bericht @ top-medien-berlin.de/content/view/1051/1/
ZitatAlles anzeigenSachverständige zur Heimerziehung
Geschrieben von »pethens« [ = Peter Henselder ]
Mittwoch, 29. Juni 2011
Am 27. Juni 2011 fand eine Anhörung von Sachverständigen zum Thema "Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren" durch den Bundestagsausschuss für "Familie, Senioren, Frauen und Jugend" statt. Als Sachverständigen waren geladen: Gabriele Beyler (Jugendwerkhof Torgau), Dr. Uwe Kaminsky, (Evangelisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Manfred Kappeler (Professor für Erziehungswissenschaften und Sozialpädagogik), Günter Saathoff (Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“), Prof. Dr. Christian Schrapper (Universität Koblenz-Landau), Prof. Dr. Peter Schruth (Hochschule Magdeburg-Stendal), Norbert Struck (Paritätischer Gesamtverband), Dr. Friederike Wapler (Universität Göttingen, Lehrstuhl für Rechts- und Sozialphilosophie), Ralf Weber (Opferbeirat GJWH Torgau) und Dr. Hans-Siegfried Wiegand (Vertreter der Heimkinder am Runden Tisch). Sie hatten bereits schriftliche Stellungnahmen eingereicht, die inzwischen auch veröffentlicht sind.
Thema der Befragung war vor allem die Herausarbeitung von Aspekten und Kriterien, die im Rahmen eines Entschädigungsmodell berücksichtigt werden sollten. Grundlage waren die Anträge der Bundestagsfraktionen vom 9. Juni 2011 und der Abschlussbericht des Runden Tisches Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren vom 13. Dezember 2010. Damit ist nicht nur der Rahmen der Befragung, sondern auch der Rahmen der Entschädigung abgesteckt. Doch es zeigte sich, daß der vorgegebene finanzielle Rahmen zumindest nicht so fest geschlossen ist, wie es oft den Anschein hatte. Unter dem Aspekt der Gleichbehandlung wurden auch Fälle angesprochen, die vor den 50er Jahren, aber auch nach den 60er Jahren lagen. Dazu kam die Öffnung des Runden Tisches Heimerziehung für DDR-Heime. Wie es aussieht, könnten auch die Behindertenheime ebenfalls berücksichtigt werden.
Frau Vollmer begrüßte die Befragung und ging mit einigen Sätze auf die Entstehung, Aufgabe und Leistung des Runden Tisches Heimerziehung ein. Dabei schob sie gelegentlich auch Vergleiche mit dem Runden Tisch sexueller Missbrauch ein, dessen Ergebnisse, obgleich dieser noch nicht beendet ist, sie eher skeptisch sieht. Runde Tische sollten nicht die Regel werden. In diesem Punkte konnte sie gewiss mit Zustimmung rechnen.
Die Stellungnahmen der Sachverständigten bewegten sich meist im Rahmen ihrer schriftlichen Vorlagen. Norbert Struck, der aus persönlichen Gründen noch keine schriftliche Ausarbeitung vorgelegt hatte, nutzte den Anlaß, ein paar Worte zum Runden Tisch "Heimerziehung" zu sagen. Er glaubte, daß der Runde Tisch Heimerziehung mit der historischen Aufarbeitung und dem Finden eines Entschädigungsmodus strukturell überfordert gewesen sei, daß in Zukunft für ungelöste Fragen es wohl besser wäre, die Fragen der historischen Aufarbeitung und der Entschädigung zu trennen. Die Forderungen der ehemaligen Heimkinder am Runden Tisch hielt er für legitim und gut begründet, es solle aber nun darum gehen, die Intentionen, die hinter diesen Forderungen stehen, in das laufende Verfahren einzubringen. Zentral war ihm die Forderung, daß die ehemaligen Heimkinder an den Strukturen der zügigen Umsetzung beteiligt werden sollen. Wichtig seien auch die Kriterien, nach denen entschädigt werden soll, d.h. die ehemaligen Heimkinder sollen einen Katalog abarbeiten, der die gravierende Punkte des Heimaufenthaltes und dessen Folgen aufschlüsselt.
Eindrucksvoll war die Schilderung von Ralf Weber zum Alltag im Jugendwerkshof Torgau, die deutlich macht, daß innerhalb der Aufarbeitung der Heimgeschichte in der ehemaligen DDR Punkte zu berücksichtigen sind, die in Deutschland West kaum ins Gewicht fallen. Gabriele Beyler beschreibt die Bemühungen um die Aufarbeitung der Heimgeschichte der DDR am Beispiel von Torgau. Seit 1996 gibt es die Gedenkstätte Torgau, die bundesweit Heimkindern gewidmet ist. Mit Unterstützung der Europäischen Union und von Bundesstellen etc. konnten im Laufe der Zeit Ausstellungen durchgeführt werden. Hier griff die Möglichkeit der Projektförderung im Rahmen der Aufarbeitung des DDR-Unrechts. Doch werden auch Aspekte der Aufarbeitung der Heimerziehung in der Bundesrepublik und in Europa mit einbezogen.
Prof. Schrapper plädierte für regionale Anlaufstellen und auch für regionale Gedenkstätten. (Im Zusammenhang mit der Euthanasie sind solche Gedenktorte, meist in den in psychiatrischen Einrichtungen geschaffen worden, nur fragt sich, ob mit solchen Gedenkstätten das geschehene Unrecht im allgemeinen Bewusstsein wachgehalten werden kann, oder doch zumindest an einem exponierten Ort, eine überregionale Gedenkstätte geschaffen werden sollte.)
Eindrucksvoll war auch die Stellungnahme von Prof. Kappeler zu den Säuglingsheimen und das Problem des Hospitalismus und wie dieses in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder ignoriert wurde, obwohl die Schädigungen der Säuglinge durch die Massenpflege längst bekannt waren.
Fragen der Eingruppierung der Betroffenen bzw. der Heime in verschiedene Kategorien wurden angesprochen und ein Anspruch auf Entschädigung für den Fall in Aussicht gestellt, daß die Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen glaubhaft gemacht werden könne. Der stringente Nachweis einer persönlichen Schädigung solle nicht erforderlich sein. Die strenge Bindung der Entschädigung an die Folgen, wie sie der Runde Tisch Heimerziehung favorisiert hatte, dürfte damit vom Tisch sein. Zur besseren Erreichbarkeit der in Aussicht genommenen Hilfen sollten regionale Anlaufstellen eingerichtet werden, die zur Sicherung der Gleichbehandlung durch eine Zentrale koordiniert werden sollen.
Stärker als der Runde Tisch Heimerziehung, der sich vorwiegend der Aufarbeitung verpflichtet wußte, traten in einigen Fragen auch Aspekte der zukünftigen Prävention hervor. Wie sei es zu verhindern, daß Kinder in eine Lage kämen, in der sie sich ohnmächtig und hilflos fühlen und keinen Ansprechpartner finden, der sich ihres Anliegens annähme. "Kinder und Jugendliche stärken" war ein Punkt des Runden Tisches sexueller Missbrauch, in dem auch immer wieder das neue Bundeskinderschutzgesetz zur Sprache kam. Beim Runden Tisch Heimerziehung spielte dieses Gesetzesvorhaben keine Rolle, womit sich auch hier der "Blick zurück" vor den Aspekten der zukünftigen Prävention durchsetzte. Sollte dies nun korrigiert werden, so wäre das nur zu begrüssen.
Weniger intensiv war hingegen die Frage nach der Verantwortung. Sie schwang zwar in manchen Stellungnahmen mit, doch so eindeutig, wie diese in Bezug auf die DDR-Heime ausgesprochen wurde, fehlte sie in Bezug auf die Heime in Deutschland West. Man wird abwarten müssen, was der Ausschuss aus den Vorschlägen und Anregungen der Sachverständigen machen wird.
Hier einige Interview aus der Familienausschußsitzung vom 27.6.2011:
Interview mit der Vorsitzende des Runden Tisch Heimerziehung, Antje Vollmer auf der Ausschußsitzung (ehemaligen Heimkinder) im Reichstag am 27.6.2011
youtube.com/watch?v=sTjLe2S3ZaI
sTjLe2S3ZaI
Interview mit Katja Dörner, MdB, Bündnis90/Die Grünen auf der Ausschußsitzung (ehemaligen Heimkinder) im Reichstag am 27.6.2011
youtube.com/watch?v=Q_3pzHj-Q94
Q_3pzHj-Q94
[color=#000000]Interview mit Heidrun Dittrich, MdB, Die LINKE auf der Ausschußsitzung (ehemaligen Heimkinder) im Reichstag am 27.6.2011
[color=blue]youtube.com/watch?v=QF6iEEXKWPs
QF6iEEXKWPs
[color=#000000]Ein vollständiges Sitzungsprotokoll dieser Anhörung ( von offizieller Stelle ! ) wird erst in ungefähr „2 Wochen nach der Anhörung“ zur Verfügung stehen.