Die Heimentlassung war für mich eine Verletzung. Wie ich ja schon schrieb, verbrachte ich ein Teil meiner Kindheit in mehreren Heimen, wo es nur Gewalt, Macht und Prügel gab. In dem letzten Heim in Langenberg fand ich dann so etwas wie Geborgenheit, das glaubte ich jedenfalls. Etwa 4 Monate vor meiner Entlassung spürte ich nur Verachtung. Die Erzieherin, die uns kinder schon mal in die Arme nahm, hat mich von heute auf morgen mit Missachtung bestraft, sie sprach nicht mehr mit mir und nörgelte an mich nur rum.
Da niemand wusste, wohin mit mir, brachte mich dann diese Erzieherin nach Bethel zu einer Ausbildungsstelle zur Kinderpflegerin. Die Fahrt dort hin war lautlos und schmerzhaft. Der Abschied kühl und nichts sagend. Ich war allein und weinte nur.
Kontakte hatte ich durch Foren wieder gefunden, die allerdings jetzt nicht mehr vorhanden sind, es haben sich alle wieder zurück gezogen.
Nach meiner Heimentlassung konnte und wollte ich nicht mehr zu meinem Vater nach Hause. Also wo sollte ich hin, es war ja niemand für mich da. Ich fand dann eine Stelle als Hausmädchen und wollte mein eigenes Leben leben. Aber wieder holte mich dort die Vergangenheit ein. Aus der Traum vom eigenes Leben. Ich musste dort von morgens 7 Uhr bis zum Abend arbeiten, Freizeit oder mal wo anders meine Zeit verbringen war nicht möglich. Wie auch, ich hatte ja keine Freunde. Das ältere Ehepaar für das ich arbeitete, besaß 2 Villen nebeneinander, ein für ein Geschäft das sie führten und eine zum Wohnen. Meine Unterkunft aber bestand nur aus einem winzigen Raum, in dem sich ein Bett, ein Kleiderschrank und ein Stuhl befand.
Nach etwa 2 Monaten hielt ich es aber dort nicht mehr aus und wandte mich heimlich an das Jugendamt (damals war es noch 21 Jahre). Die Reaktion darauf der Arbeitgeber war dem entsprechend. Ich wurde als faul und schlampig bezeichnet. Obwohl das Jugendamt das Sorgerecht über mich hatte, tauchte dann mein Vater dort auf und befahl mir die Kündigung rückgängig zu machen. Aber Gott sei Dank half mich das Amt dann da raus, da aber wieder niemand wusste wohin mit mir, denn ich brauchte ja eine Arbeit mit Unterkunft, verbrachte ich ein Jahr bei meinem Bruder und seiner Familie. Er und seine Frau gingen arbeiten und ich versorgte dann ihre beiden Kinder, damals 2 und 4 Jahre alt.
Dann fand ich eine Arbeit mit eigenem Zimmer und nun dachte ich fängt mein eigenes Leben an. Aber ich hatte immer Probleme, mein Vater tauchte wieder auf den Arbeitsstellen auf, machte Ärger und wollte Geld, ich wurde zwar nicht gekündigt, aber ich fühlte mich so allein mit allem und weinte viel.
Ich könnte jetzt noch vieles schreiben über das wie es mir nach der Heimzeit erging, nur soviel: Weder auf den Arbeitsstellen oder Ausbildungsstellen habe ich nie erzählt, das ich in Kinderheimen war, auch in meinem Bekanntenkreis wissen das nur sehr wenige und dabei soll es auch bleiben.
Das alles hatte mich so fertig gemacht, das ich an fing Tabletten zu schlucken, eine nach der anderen. Dann fand man mich durch diese Tabletten im Rausch und ich verbrachte ein halbes Jahr in einer stationären Klinik und anschließend 10 Monate in einer Tagesklinik. Dort hat man mir sehr geholfen, ich wurde stabiler und kam besser klar, ich lernte dort auch die Vergangenheit ruhen zu lassen, zwar kommen öfter mal Erinnerungen hoch, bisher habe ich es aber geschafft sie unter Kontrolle zu haben, und so soll es auch weiter hin sein.