"Verheerend". Gut gewählt. Alles löst sich auf in einer Art Endzeit. Mittlerweile wissen wir es alle - wir leben im Krieg, der mit vielen Facetten geschliffen näher kommt. Das könnt einen sorgen.
Als ich damals im Heim war, war es ein kalter Krieg. Selbst uns Kindern wurde von einem Lehrer erzählt, wie viele Male die Erde mit all den Atomwaffen zerstört werden könnte. Man sagte uns etwas über die Reichweite von Raketen. Mit 12, 13 wussten wir so etwas, doch diese Ängste hatten wir wohl nicht, sondern ganz reale Sorgen, die mit uns unmittelbar zu tun hatten.
Deine Frage zu meinem Selbsthass. Er begründete sich, wie ich ausführte und ergänze - wenn du merkst, du gehörst nicht zu ihnen, weil du nicht ihrer Sozialisation entsprachst, es durch Gesten, Mimik, Kommentaren zu verstehen bekommst, das war schon deutlich und nach der Entlassung spürbar, s. Stigma, dann weißt du es, als Kind, das zwar schon gut 13, fast 14 war, als es zurück war, auch zurück in der Schulklasse, die es fast 3 Jahre zuvor verließ, es schon wieder provoziert wurde, es ist anders. Die Androhung, nach Eilenburg zurück zu müssen, stand.
Eine Randnotiz. Nicht weiter wichtig. Ich hatte immer das Gefühl, nirgends so richtig dazuzugehören und im Laufe der Zeit schuf man sich seinen eigenen Kokon. Will sagen, ich lernte, allein zu sein, obwohl ein paar Kumpel da waren, die keine Freunde waren. Man hörte mal Musik zusammen, lernte mit 17 den Blackout kennen, doch konnte ich mich daraus befreien. Zu ihnen gehörte ich nicht und dann doch lieber allein. So hat man Zeit um sich auf sich selbst zu konzentrieren. Irgendwie verlier ich grad den Faden.
Wenn ich mich schon nicht lieben kann, darf ich mich dann nicht wenigstens hassen, mich spüren? Manchmal lief ich schon als Jugendlicher völlig unsicher, was wird, durch die Welt. Es gab nur vorgefertigte, ausgetretene Wege, oktroyierte Pfade. Ich hasste es, sie zu gehen, ging sie, ohne zu wissen, wohin, nichts Eigenes. Nur Fremdbestimmtheit führte. Eigenes entstand erst durch Wille, aus der Enge auszubrechen. Das kennen sicher viele und suchen half nichts. Zufälle nur eröffneten mir Chancen. Mühsam. Ich hätte aber gern selbst die Kraft gehabt. Am Ende hab ich Glück gehabt und in der Wendezeit brach alles zusammen. Ohne meiner Liebsten hätte ich es kaum geschafft.
Der Umbruch veränderte so viel, und ich ging fort, des Geldes wegen, des Auskommens. Abbruch, Weggang, Aufbruch mit Unsicherheiten. Ich hasste es und war so viel allein in der Fremde. Eine Art Isolation war es. Ich nahm so viel Neues auf, konnte es nicht teilen und meine Familie sah ich nur am Ende der Woche. Meinen Sohn hab ich kaum aufwachsen sehen. Da sind so viele Lücken geblieben, die ich mir zwar so nicht direkt vorwerfe, aber es bleibt etwas hängen.
Du hast gefragt, ich hab auch mit Sport wie Radfahren die Chance, mich auszupowern, aber es ist nicht wirklich das, was Endorphine bewirken. Ich war / bin immer neugierig, durch die Fahrten durch Städte, Regionen gefahren, saugte Historie, Landschaften auf, doch was ist Familie, wenn es nur Einem vergönnt ist?
Andererseits genieße ich das als Egoist auch wiederum, die Isolation, die auch eine Art kleine Freiheit ist. Du kannst alles tun, was du willst. Der Preis dafür, du erlebst etwas, was auch Andere hätten erleben müssen, wenn man doch eigentlich zusammen ist. Steckt da nicht schon wieder Schuld irgendwo?
Hass ist ein wirklich schwieriges Wort. Als Kind hasste ich meine zwei Stiefväter, heute hasse ich so vieles, was ich nicht schreiben dürfte und womöglich ist es das auch, Etwas unter Androhung von Strafe nicht tun dürfen. Das Schlimmste wäre nämlich der Verlust des bischen Freiheit, über die man verfügt. Sei's drum. Ich bin wohl etwas abgeschweift gerade.