Hallo Matze,
ich schreibe den Text hier und jetzt ohne ihn vorgeschrieben zu haben, also LIVE. In der Hoffnung, dass er verständlich ist.
Falls du andere Themen als diese hier liest, ich gehe davon aus, dann wirst du verstanden haben, weswegen ich das nicht mehr möchte, mich erneut mit ihnen intensiv auseinanderzusetzen. Ich habe fast alles, was ich zu diesen Themen zu schreiben hatte, veröffentlicht. Es sind bereits Romane geworden, wenn man all die Beiträge in vielen auf Eilenburg Bezug nehmende Themen summiert.
Du wirst gelesen haben, dass das mit vielen Emotionen vor vielen Jahren verbunden war und diese resultierten auf dem Aufreißen alter Wunden. Selbst wenn ich hier - du kannst das alles in der Suchhilfe "Eilenburg" hier im Forum erlesen, ich habe das Eine und Andere auch hier noch geschrieben, jedoch alles nur noch ohne Herz.
Ich glaube, uns beide eint zwar der einstige mehrjährige Aufenthalt in dieser Einrichtung doch mich überfielen keine nostalgischen Gefühle womöglich. Ich kannte früher einmal, zwei, drei Leute, denen es so erging. Ich verband mit Eilenbrg. keine solcher Gefühle, denn E. war keine Familie für mich.
Es war, Zitat aus meinen früheren veröffentlichungen: eine "harte Schule, eine mit Drill geführte Kadettenanstalt", in der wir täglich diszipliniert wurden", aus welchen Gründen auch immer. Ich habe auch geschrieben, dass, als ich E. nach 2 1/2 J. verließ, zu Hause mit einem Herz aus Stein eintraf, kaum zugänglich war und meine Wiedereingliederung in der Schule auch nicht anfänglich ganz einfach war.
Verstehst du, weshalb ich das alles nicht mehr möchte, in den Abrund schauen, wie Nietzsche es einmal beschrieb? Wir haben heute Abgründe, die sich täglich auftun und um die geht es mir, sie zu ergründen. Damit bin ich vollends gut beschäftigt, wenn auch mit Ironie und Sarkasmus, weil wir sonst unsere neue Weltordnung nicht erträgen könnten.
Festhalten an etwas, was mir nichts gibt, das mache ich nicht mehr und wenn ich hier und dort dennoch etwas über E. schreibe, dann indirekt als Lesebeitrag in irgend einem Thema, so sich Anmerkungen ergeben.
Mehr ist dazu nicht zu schreiben, außer dass mein Aufenthalt indirekt ein kl. Fenster zum Lesen und Schreiben eröffnet hat, doch auch nur deshalb, weil ich eine Begebenheit im Heim hatte, die mich gleich von Anbeginn dazu animierte, eine Außenseiterrolle einzunehmen, doch wahrscheinlich hat es tiefere Ursachen, wewegen Außenseiter sich auch nie finden, denn dazu müßten sie zueinander finden.
Meine Lehren aus dem Aufarbeiten dieser Thematik Heim haben auch damit zu tun, dass Kinder nicht nur nett zueinander waren. Das konnte man alles in vielen traurigen Geschichten und Themen Anderer erlesen. Es war auch gar kein sonderlich großes Interesse daran vorhanden, ein überaus netten Verhältnis untereinander entstehen zu lassen, sondern uns alle möglichst auch auf Distanz zu halten, sogar untereinander auszuspielen und das müssen sich so manche Erzieher vorhalten lassen.
Sie waren Teil eines Erziehungssystems, in dem es nicht nur darum ging, aus uns angepaßte Menschen zu machen, die gut geeignet waren, in einem System zu leben, sondern wir sollten funktionieren. In dem Sinne wurden wir gedrillt, uns wurden sinnlose Strafen aufgebrummt, die nicht hätten sein müssen usw. usf. Darüber soll ich erneut schreiben, was mir schon vor Jahren nicht gut tat?
Ich hatte innerhalb dieser Jahre auch genügend depressive Phasen in Intervallen, wie viele von uns und ich habe welche aus meiner Zeit vor 12 J. etwa kennengelernt, die aufgrund dieser Heimerfahrung abgestürzt sind. Ich kann mich - wie E. Kästner es schrieb - glücklich schätzen, aus Steinen, die mir im Weg lagen, etwas machen zu können. Profitabel war es nicht, nur für mich, denn es diente meiner eigenen Aufarbeitung.
Nein. Ich hege keine herzlichen Gefühle mit Vergangenheit. Ich war dort drinnen, weil ich zu Hause nicht funktionierte. Das System Familie war nicht intakt und ich galt als Störenfried, der nicht machte, was sie wollten. Machte als 9, 10 Jähriger mit und tat Dinge, die sich nicht gehörten. Andere wollten es so, dass ich nach E. kam. Ich hatte also eine Vorgeschichte und verstand meine Heimeinweisung als Strafe. Sollte ich dann noch Gefühle haben, die sie uns austrieben?
Ich bin seit vielen Jahren in allen möglichen kulturellen, psychologischen, gesellschaftlichen, politischen Themen "zu Hause", denn sie sind es, die uns in Heime brachten und wenn Gesellschaften nicht (mehr) funktionieren, produzieren sie Opfer, die wir sozusagen auch wurden. Doch es ging mir nie daraum, mich als Opfer zu sehen, sondern als jemand, der ein Rädchen im Getriebe eines Systems war, in das Sand kam usw. usf.
Ich mag das daher nicht - das Zurückblicken. Ich habe einige lange Jahre so vieles dazu geschrieben, dass ich damals schon ausgebrannt war und als jewand, der vielseitig interessiert ist, finde ich es spannender und sinnvoller, nach vorne zu schauen. Auch wenn man da gerade nicht viel findet, was gut wird.
Andere hielten mir das einst auch vor, dass man irgendwann zur Ruhe kommen muss, Altes abstreifen wie eine Schlange die sich häutet.
Das Zurückblicken und mich schon wieder mit E. konfrontieren, wäre wie mich davon abhalten, was mich beschäftigt, mehr denn je, die Gegenwart und somit zu verstehen, wohin wir vielleicht erst noch gehen werden müssen.
Ich kenne dich noch nicht, aber ich meine, du wirst trotzdem begreifen, dass es mir um ganz andere Ebenen inzwischen geht und hoffe, du verstehst das.
Liebe Grüße
Axel L.