Das ist auf jeden Fall eine interessante Frage. Ungern habe ich mich jetzt nochmals in diese Zeit zurück versetzt. Da ich eine weniger schöne Kindheit bei meinen Eltern erleben mußte, war für mich die Heimzeit eher eine Erlösung. Wir Kinder waren in einer Gemeinschaft die das Zweifeln an dem Tun der Nonnen nicht aufkommen ließ. Man lebte das "HEIMLEBEN" so gut es ging. Wir wurden wie unter einer Glasglocke behütet und die Außenwelt wurde dadurch ausgegrenzt................Leider, denn gerade dieses behütet sein, weckte in mir eine große Unsicherheit gegenüber der Außenwelt. Bereits ein Jahr vor meiner Entlassung machte ich mir Gedanken über das was so auf mich zukommen würde. Freude, Unsicherheit und Angst machten sich in mir breit.
1977 war es dann soweit. Ich wurde aus dem Liebfrauenhaus Herzogenaurach entlassen und vom Jugendamt Fürth in ein Lehrlingsheim untergebracht. Mit den neuen Eindrücken der Außenwelt kam ich ganz schwer zu recht. Meinen ersten Arbeitstag erlebte ich mit enormer Unsicherheit. Nein, ich wurde nicht gemobbt, aber dieses Mitleidsgetue meiner Umwelt ("Ach du armer") regte mich am meisten auf. In meinem ersten Lehrjahr fühlte ich mich immer als schwarzes Schaf und irgendwie immer ausgegrenzt. Erst als ich ein Mädchen kennen lernte wurde es besser.............allerdings konnte ich mich mit ihr nicht über meine Heimzeit reden. Einerseits schämte ich mich, andererseits wollte ich natürlich den Starken spielen.
Mein Verdienst ging ausnahmslos ans Jugendamt und vom Lehrlingsheim erhielt ich ein monatliches Taschengeld in Höhe von 50,- DM.
1979 Nachdem ich durch einen Kunden erfuhr das er einen Nachmieter für seine 1 Zimmerwohnung suche, versuchte ich vom Jugenamt loszukommen. Meine Hartnäckigkeit lohnte sich und ich konnte endlich mein Leben starten......so wie ich mir das immer vorstellte. Leider (und das findet man erst raus wenn man erfahrener ist) ging nicht alles so einfach. Ich fühlte mich wohl, aber auch allein..................und dieses Alleinsein beamte mich geradewegs in die Kindheit und das Erlebte im Heim zurück. Ich kämpfte täglich gegen diese Gedanken, denn so langsam enstand in mir eine gewißes Selbstmitleid. Irgendwann war es dann soweit, ich benötigte professionelle Hilfe. Mein Arzt schickte mich zu einen Psychologen und das war vielleicht meine Rettung. Klar, es war im ersten Moment sehr unangenehm und es wurde vieles wieder aufgewühlt...........kurzum es half mir.
Zwischenzeitlich lernte ich ein neues Mädchen kennen und ja, ich dachte das ist die Liebe meines Lebens. Es ging einige Jahre gut, bis........ja bis der Zeitpunkt kam das ein großer Knall meine Träumerei beendete. Wieder ging alles von vorne los.....Selbstvertrauen weg, Selbstachtung weg und dann die Angst vor dem alleine sein. Ich lenkte mich mit der Fahrschule ab. Mit einem Auto kam auch mein Selbstwertgefühl zurück. Nur mit der Liebe hatte ich so meine Problem. Ich konnte niemanden mehr Vertrauen.
1982 lernte ich dann doch wieder eine Mädchen kennen die dann auch meine Frauz wurde. Leider ging diese Ehe nach 10 Jahren in die Brüche. Wieder stand ich mit beiden Füßen in dieser Außenwelt und wußte nicht weiter. Durch Zufall lernte ich ein Mädchen kennen die sich in einer ähnlichen Situation befand. Dies Frau wurde dann endlich die erhoffte und ersehnte Liebe des Lebens...............seit 1994 sind wir verheiratet und noch immer bin ich in meine Frau verknallt.
Als zum ersten Mal die Debatte "Entschädigung für Heimkinder" aufkam, wendete ich mich an die dafür zuständige Stelle in München. Ich dachte das mach ich mit links. Tja, als es dann zu einem Gespräch kam, spülte sich das längst Verdrängte wieder nach oben. Es war schrecklich und ich erlebte diese Heimzeit aufs Neue, fast sogar intensiver. Plötzlich sah ich Sachen die mir als Kind als Normal vorkamen...............und erst jetzt wurde mir bewußt das doch nicht alles so rosig verlief.
Dieses Erlebnis und der Suizid meiner Schwester (die ebenfalls in dem Heim ihre Kindheit verbrachte) waren für mich seelisch nochmals die Hölle. Nun verging einige Zeit und ich fühl mich gut.................ob ich aus meinem Erlebten etwas gelernt habe? Ich weiß nicht, nach wie vor kämpfe ich mit meinem Selbstwertgefühl, aber es gewinnt nicht mehr die Oberhand und so und nicht anders möcht ich mein Leben leben.