wir schreiben den 25. oktober 1972.
schätzungsweise gegen mittag trafen wir in bad freienwalde ein. mir war kalt, mir war schlecht, ich hatte unbeschreibliche angst, wut, konnte kaum noch gucken vom vielen heulen. während der ganzen fahrt die mir vorkam als dauerte sie tage, wurde nicht ein satz mit mir gesprochen. ich fragte mal wo wir hinfahren, was mit mir gemacht wird, heulte, dass ich wieder nach hause will - keine reaktion oder vielleicht auch nur das kommando den mund zu halten, ich weiß es nicht mehr.
wir fuhren durch dieses elende graue eisentor und mit meinen paar habseligkeiten verließen wir das auto und betraten dieses furchteinflößende gebäude. von außen waren die fenster vergittert und ich wünschte mir auf der stelle tot umzufallen um das nicht miterleben zu müssen was mich dort wohl erwarten würde.
mein wunsch erfüllte sich nicht. wir wurden von irgendwen bereits erwartet, ich nehm mal an der leiter des d-heimes. wenn man einige lücken beim lesen feststellt, dann allein deshalb, weil ich kaum erinnerungen an diese zeit habe.
formalitäten wurden glaub ich im büro unten rechts neben dem eingang abgeklärt, befragungen, schreibkram, belehrung und weiß der teufel was noch alles. es ging in irgendeinen raum zur untersuchung. häää, was für ne untersuchung, ich bin nicht krank sagte ich leise. na das wollen wir mal sehen, nicht dass hier noch was eingeschleppt wird, das fehlte uns noch. ich hatte null ahnung wovon die sprachen. es war die rede von einer gynäkologischen untersuchung. ich weigerte mich nach kräften mich auszuziehen, wer waren diese fremden leute, was wollten die von mir, was soll ich einschleppen? ich kam nicht von der straße, ich wurde eben vom kinderheim abgeholt. ich heulte und schrie aus leibeskräften als man mich zwang mich völlig auszuziehen und mit der untersuchung begann. ich kann mich erinnern, dass die untersuchende frau in etwa sagte dass da noch nichts gewesen sei oder irgendwas in der art. nach endlosen minuten voller scham, erniedrigung, ekel, todessehnsucht, konnte ich endlich sachen anziehen, nicht mehr meine, sondern knastkluft. keine ahnung wie die aussah oder welche nummer ich hatte, das ist weg aus dem gedächtnis.
dann erinner ich mich an die zelle in die ich geführt wurde. ich hätt mich vor angst übergeben können. es war ein knast, ich war keine 16 jahre jung und saß im knast. dicke, ich glaub beigefarbene eisentüren mit riesigen riegeln und einem spion um uns rund um die uhr zu beobachten zierten diese zelle. drinnen stand links an der tür ein kachelofen, dort befand sich auch ein weißer emailleeimer - es war der sogenannte leo für die nächtliche notdurft oder wenn man bau hatte vielleicht auch? keine ahnung. weiterhin befanden sich zwei blaue eiserne doppelstockbetten und ein kleines doppelfenster mit gittern davor. mich traf fast der schlag als ich das sah.
da war ich nun - willkommen in der hölle.
genug für heute.